Anschnallen!
Anschnallen!
Sora
Daran dachte Sora nicht. Daran, dass Rikuo bald nicht mehr die ganze Zeit für
ihn da war. Daran wollte er auch nicht denken. Für ihn sollte es eine
Ewigkeit so weitergehen. Jeder Tag wie der heutige sein. Schnurrend schmiegte
er seine Wange an Rikuos Schulter, beugte sich vor und leckte sanft über
seine Wange.
Rikuo
Er lächelte ihn an, zog ihn vor sich und nahm ihn auf den Schoß. Er
kuschelte etwas mit ihm und küsste ihn sanft auf die Wange. Riku wollte
nicht, dass dieser Moment jemals zu Ende ging.
Sora
Lächelnd genoss Sora diese Zweisamkeit. Noch nie hatte er sich so wohl,
ausgeglichen und zufrieden gefühlt. Schnurrend strich sein Katzenschwanz
über Rikuos Seite, während er den Sonnenuntergang betrachtete. "Lass mich
nie mehr alleine, Rikuo", flüsterte er leise und lehnte sich an den Älteren.
Seine Hand suchte die des anderen und umschloss sie fest.
Rikuo
"Was sagst du, wenn ich morgen nicht für dich da sein kann?" Er fragte leise
und sah leicht zur Seite. Er würde ihn keine Sekunde allein lassen wollen,
aber er konnte ihn ja schwer mit ins Büro nehmen. Dort würde er sich nur
langweilen, aber zu Hause konnte er ihn ja auch nicht lassen, da hatte er viel
zu große Angst um ihn.
Sora
"MIAU?" Sofort wandte sich Soras Blick vom Meer ab und suchte den Kontakt zu
Rikuos Augen. Unsicherheit schimmerte in ihnen. Irgendwie hatte er es
gespürt, dass da was nicht stimmte. Dass Rikuo ihm irgendwas Ungutes
verkünden wollte. Wahrscheinlich schon mit seinen letzten Worten. "Nein,
nein, nein... ich... ich nicht wieder allein sein will... nein, nein, nein."
Sofort krallten sich seine Hände in Rikuos Rücken. "Bitte nicht... bitte
nicht... ich tu alles... nicht wieder allein lassen... bitte... alles... ich
alles tu... bitte..."
Rikuo
"Sora, beruhig dich!" Soras Krallen waren zwar kürzer, aber trotzdem rissen
sie die alten Kratzer wieder auf. "Sora, ich lass dich nicht allein,
versprochen. Aber bitte beruhig dich wieder!"
Sora
"Alles... bitte... lass mich nicht allein... ich alles tue... alles..." Seine
panischen Worte gingen in einem Schluchzen unter. Seine Hände krallten sich
nicht mehr so fest in Rikuos Rücken. Dennoch blieben seine Zweifel. "Und
warum du dann so was fragst?"
Rikuo
Er sah ihn lieb an und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Diese Reaktion war
mehr, als er sich hätte vorstellen können. Er würde ihn nicht allein lassen
und wenn er ihn mit ins Büro nehmen musste, er würde es tun. "Ich muss ab
Montag arbeiten. Ich muss mich konzentrieren und kann nicht die ganze Zeit
für dich da sein. Ich lass dich nicht allein, versprochen, aber ich kann mich
nicht richtig um dich kümmern, wenn ich arbeiten muss."
Sora
"Das egal ist... ganz egal… solang ich bei dir... und du bei mir,... dann
ganz egal… ich werd ganz lieb sein", murmelte Sora aufgeregt. Seine
vorherige, total verzweifelte Mimik wandelte sich wieder in eine entspanntere
und erleichterte. Er hätte es wirklich nicht den ganzen Morgen und Nachmittag
alleine im Haus ausgehalten. Ohne Rikuo, der ihn vor den riesigen Hunden
beschützte und ihm das Gefühl der Sicherheit gab, das er brauchte.
Außerdem... traute er Rikuos Vater auch nicht so ganz. Und mit dem Ganzen
allein Zuhause? Nein... er wollte nicht den ganzen Tag wimmernd unterm Bett
hocken. Da wollte er viel lieber mit Rikuo mit zur Arbeit. Auch, wenn er sich
da langweilen würde. "Danke."
Rikuo
"Ich pass auf dich auf, das habe ich dir doch versprochen." Er nahm ihn in den
Arm und drückte ihn an sich. Er liebte ihn wirklich, aber was war er für
ihn? Ein Haustier, ein Freund? Oder sah er ihn doch nur wie ein kleines Kind,
das er beschützen wollte?
Sora
Lächelnd nickte Sora. "Ich habe Angst vor Monstern zu Hause... da mag ich
nicht alleine sein", murmelte er ehrlich. Nun wandte er sich wieder dem
Sonnenuntergang zu. Fast hätte er ihn ganz verpasst. Die Sonne war kaum noch
am Horizont zu erkennen. Sie verschwand langsam hinter dem Meer. "Kommt Sonne
wieder?", kam die naive Frage von ihm.
Rikuo
"Ja, die Sonne kommt wieder", sagte er sanft und kuschelte sich an ihn. Er
fühlte sich unendlich wohl mit ihm und würde dafür sorgen, dass ihm nie
wieder was Schlimmes zustoßen würde. "Die Sonne kommt morgen früh wieder."
Er lächelte ihn liebevoll an und küsste ihn sanft auf die Stirn.
Sora
"Wenn die morgen kommt wieder... also früh... dann…" Sora grübelte etwas.
"Dann ist jetzt abends und wir müssen schlafen." Stolz nickte er, dass er so
was schon wusste und schmiegte sich nur näher an Rikuo. "Schlaaaaafen Rikuo",
kicherte er. Seine Hände ruhten ruhig auf Rikuos Brustkorb und seine Wange
schmiegte sich immer wieder an der breiten Schulter.
Rikuo
"Ja, schlafen." Er lächelte sanft und kraulte ihn hinter den Ohren. Nebenbei
überlegte er, wo hier das nächste Motel war, denn im Auto schlafen wollte er
nicht und draußen wurde es über Nacht dann doch sehr kalt.
Sora
An die Kälte dachte Sora nicht. Für ihn war es mehr als selbstverständlich,
dass sie hier schlafen würden. Er sah darin kein Problem. Ihm war richtig
wohlig warm in Rikuos Nähe, auch wenn Minustemperaturen herrschen würden.
Solange er bei dem Älteren war, fühlte er sich wohl und warm und genoss es
einfach nur bei ihm zu sein. Aber das würde sich auch nicht ändern, wenn sie
im Motel waren. Deshalb war es ihm egal, wo sie schliefen.
Rikuo
Er nahm Sora fest in die Arme und stand mit ihm zusammen auf. Die Sonne war
nun schon untergegangen und ein ziemlich kalter Wind strich über Rikuos
nasses Hemd. Ihm war kalt und er war nass, außerdem brannten die Kratzer auf
seinem Rücken wie Feuer, da Sora ja noch mal drüber gekratzt hatte. Er
brachte den Kleinen ins Auto und wickelte ihn in eine Decke, dann stieg er
ein, schnallte die beiden an und fuhr los.
Sora
Ein wenig fror Sora auch. Dennoch nicht halb so stark wie Rikuo. Die Kälte
war er eben gewohnt. Die Käfige standen oft bei kaltem Wetter, Sturm und
Regen draußen und er hatte nur sein Hemdchen angehabt. Anfangs hatte er sich
dann noch ständig erkältet, aber sein Immunsystem war irgendwann auch
resistent dagegen geworden. Schnurrend leckte er kurz über Rikuos Hals und
ließ sich ins Auto setzen, wo er sich gleich in die Decke kuschelte. Als sie
schon ein paar Minuten fuhren, fiel ihm auf, dass Rikuo bitter fror. "Miau?",
schnallte er sich ab, um auf Rikuos Schoß zu klettern. Dass sie fuhren und er
Rikuo so die Sicht nahm, daran dachte er nicht.
Rikuo
"Sora, geh auf deinen Platz." Er versuchte den Wagen unter Kontrolle zu
halten, doch als er wieder sah, wo sie hinfuhren, kam ein Truck direkt auf sie
zu. "Shit!" Er zog das Lenkrad rum und wich dem Truck aus, doch da sie auf
einer Uferstraße waren, ging es neben der Straße doch teilweise sehr steil
runter und Rikuo konnte den Wagen nicht mehr halten. Sie stürzten den Abhang
runter. Der Wagen überschlug sich mehrmals und Sora wurde raus geschleudert,
da er ja nicht angeschnallt war. Rikuo verlor nach der zweiten Drehung das
Bewusstsein und bekam nichts mehr mit. Als der Wagen unten an dem schmalen
Stück Strand auf dem Dach liegen blieb, hatte die Flut gerade eingesetzt und
Rikuo drohte zu ertrinken, wenn ihn niemand raus holte.
Sora
Sora wollte erst nicht auf seinen Platz zurück. Doch einen kurzen Moment
später wurde er dazu gezwungen, als er durch das scharfe Umreißen des
Lenkrades zur Seite geschleudert wurde. Schmerzhaft miaute er laut. Zeit sich
wieder zu besinnen hatte er nicht. Schon wieder verlor er den Sitz unter sich
und wurde durchs Auto geschleudert, bis er irgendwann draußen landete.
Benommen blieb er am Boden liegen, rührte sich nicht, spürte nur die
stechenden Schmerzen.
Saiga
Der Truckfahrer hatte durch den Rückspiegel gesehen, wie das Auto den Abhang
heruntergestürzt war. Sofort hielt er an und rief den Krankenwagen. So was
konnte nicht gut geendet haben. Sofort kletterte er den Abhang runter, rannte
zu dem Auto und wollte schon die Tür aufreißen. Doch das ging nicht. Das
Wasser übte einen zu hohen Druck aus. Mit aller Kraft schlug er gegen die
Scheibe, bis sie brach und zerrte Rikuo raus.
Rikuo
Zitternd vor Kälte und Schmerz öffnete er die Augen. "Sora...", flüsterte
er kaum hörbar und eine Träne lief ihm übers Gesicht. Er konnte sich vor
Schmerz kaum bewegen und das kalte, salzige Wasser tat auch nicht gerade gut,
es brannte. "Bitte, Sora..."
Saiga
"Sora?", fragte der Truckfahrer überrascht und zog Rikuo erstmal so weit den
Strand hoch, dass die Flut sie nicht mehr erreichte. "War noch jemand im Auto?
Ist das dieser Sora?" Erst jetzt dachte er an diese Möglichkeit, dass Rikuo
nicht der einzige Insasse war. Er guckte sich kurz um, sah aber niemand
anderes, was auch kein Wunder war.
Sora
Sora lag den Abhang etwas höher in einem kleinen Gebüsch, hatte sich wie ein
verletztes Tier zusammengerollt und wimmerte. Sein Kopf dröhnte heftig. Er
mochte nicht mal die Augen öffnen. Das Blut, das über seine aufgeplatzte
Stirn lief, war nicht das Schlimmste.
Rikuo
Er versuchte sich aufzusetzen, es schmerzte furchtbar, aber das war egal, er
musste Sora finden. Er sah sich um und rief nach ihm. Seine Stimme war nicht
gerade kräftig, da er schlimme Rippenprellungen hatte und nicht richtig atmen
konnte. Wahrscheinlich waren einige der Rippen sogar angeknackst. "Sora... wo
bist du?" Verzweifelt versuchte er aufzustehen, doch er hatte keine Kraft und
landete wieder auf dem Boden. Hilfesuchend sah er den Fahrer an. "Bitte, ich
muss Sora finden..." Der Atem ging ungleichmäßig und keuchend, er zitterte
vor Kälte und konnte die Beine nicht richtig bewegen, wie sollte er sein Ein
und Alles nur finden?
Saiga
"He..." Geschockt lief der Truckfahrer Rikuo hinterher. Das war doch nicht
normal. Der Kerl musste echt unter Schock stehen. Ein normaler Mensch steht
nach so einem Unfall nicht gleich auf um nach jemand anderem zu suchen. "Leg
dich hin", drückte er Rikuo auf den Boden und gab ihm seine Jacke. "Ich suche
den Jungen", lief er los. "SOOOOORA!", rief er laut. "SOOOORAAA!"
Sora
Sora rührte sich nicht. Er traute sich nicht sich zu bewegen. Verängstigt
kauerte er sich weiter zusammen. Nur ein leises Wimmern kam über seine
Lippen. Er wusste nicht was los war. Woher der Schmerz kam. Er war total
durcheinander. Der Krankenwagen traf auch im nächsten Moment ein. Nur konnte
er den Abhang nicht runter, dafür aber die Sanitäter, die sofort zu Rikuo
liefen und ihn behandelten. Seine Vitalwerte überprüften und seinen
Kreislauf stabilisierten.
Rikuo
Während er untersucht wurde, suchte er mit den Augen die Gegend ab. Er war
sich sicher, dass Sora Angst hatte und sich versteckte. Er versuchte sich zu
wehren, als er auf die Trage verfrachtet und dort festgeschnallt wurde. Die
Sanitäter gaben ihm ein Beruhigungs- und Schmerzmittel und Rikuos Sinne
schwanden langsam wieder. "Sora... Sora..." Kurz bevor er oben am Hang ankam,
nahm er alle Kraft zusammen und schrie aus vollem Hals: "SOOOOOORAAA!" Er
wollte hier nicht ohne ihn weg und hoffte, er wäre nicht zu schwer verletzt
oder bewusstlos.
Sora
Sofort horchte Sora auf. Total benommen richtete er sich auf, blinzelte kurz
um sich umzusehen. Viel konnte er nicht erkennen. Es drehte sich noch alles um
ihn. "Rikuo... wo du bist?", fiepste er, sackte aber wieder zusammen.
Saiga
Dieses kurze Aufrichten war aber nicht umsonst gewesen. Der Truckfahrer hatte
ihn entdeckt. "Hier ist noch einer", rief er die Sanitäter zu sich und beugte
sich zu Sora. "Was bist du denn für einer?", betrachtete er etwas
argwöhnisch den Katzenschwanz und die Ohren. Er hatte immer nur von diesen
Catboys gehört, aber nie einen gesehen. "Alles in Ordnung? Hörst du mich?",
wollte er Sora leicht schütteln.
Sora
Dieser schlug sofort aus und kratzte über seine Hand. Genauso wie ein
verletztes Tier wollte er keinen Fremden an sich ranlassen. Fauchend wich er
zurück. Doch nicht lange. Die Sanitäter hatten sich von hinten an ihn
rangeschlichen, ihn gepackt und auf die Liege verfrachtet, wo sie den wild
fauchenden Catboy festschnallten und ihm auch erstmal ein Beruhigungsmittel
gaben. Einige Zeit lang wehrte Sora sich noch, wandte sich unter den
Schnallen, dann wurde er aber auch ruhiger und wurde zusammen mit Rikuo den
Abhang hoch getragen.
Rikuo
Er wurde mit Sora zusammen in den Krankenwagen geschoben und kurz bevor die
Medikamente ihn völlig ausschalteten, sah er Sora neben sich. Er beruhigte
sich und lächelte leicht, dann nahm er Sora an der Hand und hielt ihn fest.
"Sora...", flüsterte er, bevor er vollends wegdöste.
Sora
Sora musste sich nicht umblicken und Rikuo ansehen um zu wissen, dass er es
war. Sein Gefühl sagte ihm sofort, dass es Rikuo war. Er konnte es allein an
dem Händedruck erkennen. "Rikuo...", kam es leise über seine Lippen. Jetzt
fühlte er sich sicherer. Jetzt störten ihn die Schmerzen nicht mehr so sehr.
Jetzt interessierte es ihn nicht mal mehr, dass die Sanitäter diskutierten,
ob sie ihn behandeln durften oder nicht. "Er ist ein Catboy... Er ist nicht
versichert und Rechte hat er sowieso nicht. Wir brauchen erst die Unterschrift
von dem", zeigte er auf Rikuo. "Dass er die Behandlung bezahlt... Vorher
können wir dem Catboy nicht weiter helfen." Das war ein Problem, denn eben
war Rikuo weggedöst.
Rikuo
Er bekam von der Diskussion nichts mit, er war einfach zu müde und die
Schmerzen waren schlimm, er war froh Sora nah bei sich zu haben und ließ sich
komplett fallen. Das Einzige, das er festhielt war Soras Hand. Nicht mal die
Sanitäter hätten ihn ihm wegnehmen können. Das Einzige was den Sanitätern
übrig blieb, war die beiden erstmal mit in die Klinik zu nehmen und seine
Eltern bzw. Rikuos Vater zu benachrichtigen.
Noburo
Den Vater Noburo interessierte die Nachricht nur so fern, dass er sich um die
Arbeit Sorgen machte. Wenn Rikuo was Ernsthaftes passiert war, musste er
jemanden einstellen, den er einem wesentlich höheren und gerechteren Lohn
bezahlen müsste und er hatte das Risiko zu tragen, verraten zu werden. Das
war das Einzige, was ihn störte. Sofort sprang er ins Auto und fuhr los.
Saiga
Saiga war dem Krankenwagen auch gefolgt. Er wollte wissen, wie es den beiden
ging und ob sie durchkamen. Im Krankenwagen wurden Rikuos Verletzungen grob
behandelt, während sie Sora mit seinen Schmerzen liegen ließen. Das Wimmern
ignorierten sie geschickt. Als der Krankenwagen dann hielt, schnappten sie
sich die beiden Liegen und fuhren damit zur OP. Rikuo schoben sie rein, aber
Sora rissen sie von ihm los und stellten ihn erst mal auf dem Flur ab.
Noburo
Außer Rikuo konnte niemand so geschickt die Bilanzen fälschen und deshalb
sorgte sein Vater für die beste Behandlung für seinen Sohn. Auch sah er nach
Sora, den er auf dem Flur entdeckte, als er im Krankenhaus ankam. Er stellte
sich vor ihn und musterte den Catboy. Es war ihm egal, ob er starb, aber er
wollte, dass er litt und deshalb sprach er ihn an. "Na! Wie geht’s?" Er
grinste fies und legte ihm die Hand auf eine der Wunden. "Tut's weh?" Er
musterte ihn und drückte etwas zu, dann beugte er sich zu seinem Ohr und
flüsterte: "Wenn Rikuo stirbt, bring ich dich um!"
Sora
Ein leichtes Lächeln umspielte Soras Lippen, als er die Stimme des Vaters
hörte. Vielleicht half man ihm jetzt. Vielleicht wurde jetzt alles besser.
Schmerzhaft schrie er auf, als er den Druck an seinem schmerzenden Schädel
spürte. Sofort wollte er mit seinen Händen über die Arme des Vaters
kratzen, doch er war zu kraftlos. Wimmernd wandte er sich leicht. Als er die
nächsten Worte hörte, weiteten sich seine Augen doch. "Ri... Rikuo tot?",
flüsterte er entsetzt. Langsam setzte er sich auf. "Nein..." Ihm war total
schwindelig, sodass er wieder ins Kissen zurückfiel.
Noburo
Einer der Ärzte rief nach ihm und er wandte sich von Sora ab. "Stirb du
Drecksvieh!", flüsterte er ihm noch zu, bevor er ging. Eine Weile unterhielt
er sich mit dem Arzt, der ihm berichtete, dass es Rikuo den Umständen
entsprechend relativ gut ging. Was er jedoch zu bedenken gab, war, dass Rikuo
sogar während der Narkose immer wieder diesen einen Namen nannte; "Sora". Das
Ganze sagte er in einer Lautstärke, dass Sora es auch hören müsste.
Sora
Sora hörte es. Aber er war in Gedanken schon ganz woanders. Er hörte immer
noch die Worte von Rikuos Vater in seinem Kopf. //Wenn Rikuo mir nachher böse
ist? Wenn alles meine Schuld ist... Er mich dann nicht beschützt mehr und
dann... der Vater und die Monster... alle mir weh tun und tot machen...//
Zitternd richtete sich Sora auf und hievte sich aus dem Bett. Das wollte er
nicht. Er wollte nicht sterben. Vor allem nicht, dass Rikuo ihm die Schuld gab
und ihn nicht mehr mochte. Schwankend schleppte er sich aus dem OP-Trakt in
die große Eingangshalle und hinaus zum Eingang. Dort atmete er tief durch.
Der kurze Weg war schon richtig anstrengend gewesen. Vor allem, weil ihm immer
wieder schwarz vor Augen wurde.
Saiga
Der Truckfahrer, der den beiden hier her gefolgt war, saß unten in der
Eingangshalle und sah Sora, als dieser auf dem Weg nach draußen war. Er ging
zu ihm und sah ihn besorgt an. "Hey Kleiner, was machst du denn hier? Du
kannst doch nicht abhauen, du musst doch erst behandelt werden."
Sora
Nur schwach schüttelte Sora den Kopf. Eine größere Bewegung dieses
Körperteils hätte ihm nur riesige Schmerzen bereitet. "Nein... ich muss tot
gehen...", flüsterte er traurig und sank zu Boden. "Rikuo wegen mir tot
geht... dann ich auch tot... I...ich Drecksvieh, das tot muss... Monster mich
wieder toll beißen... wenn Rikuo nicht aufpasst." Tränen rannen über seine
verschmutzten Wangen.
"Sie können zu ihm, wenn sie wollen", erklärte der Arzt dem Vater. "Aber er
braucht Ruhe. Ach ja... ein Catboy war mit am Unfallort... Soll er behandelt
werden? Übernehmen Sie die Kosten?"
Noburo
Er seufzte und nickte. Sein Sohn würde ihn verfluchen, wenn das Katzenvieh
sterben würde. "Machen Sie's aber nicht zu kostenaufwendig, wenn nichts mehr
zu machen ist, dann lassen Sie's, klar!", sagte er hart. Er wollte nicht, dass
es ihn zu viel Geld kostete.
Saiga
"Sora, so war doch dein Name! Dein Herrchen wird sicher nicht wollen, dass du
stirbst, glaub mir." Der Truckfahrer versuchte das Kätzchen zu beruhigen und
nahm ihn hoch. Er brachte ihn zurück in den OP-Bereich und legte ihn auf die
Trage, die auf dem Flur stand. "Bleib ganz ruhig, dann wird sicher alles
wieder gut!"
Sora
"Nein... Rikuo bestimmt böse... Ich... ich ihm nur Decke geben wollte... Er
so gezittert hat... Ich nicht ..." Wieder schluchzte Sora heftig auf. Sein
Kopf schien noch mehr zu dröhnen als vorher schon. Wimmernd hielt er sich an
dem Pulli des Truckers fest. Wenn Rikuo ihn nicht mehr beschützen würde,
dann vielleicht er. Aber dann kamen auch schon ein paar Krankenschwestern und
der Arzt und schoben ihn in den OP, wo sie ihm eine Narkose gaben und
operierten.
Rikuo
Rikuo wachte langsam auf und sah sofort das Gesicht seines Vaters vor sich.
"Sora... wo ist Sora?" Er sprach leise und war auch etwas heiser, aber man
konnte ihn verstehen. Seine Gedanken kreisten nur noch um seinen Catboy, um
den er sich unendliche Sorgen machte. Er versuchte langsam sich aufzusetzen,
doch durch den Verband und die Schmerzen im Allgemeinen fiel er gleich wieder
zurück.
Sora
Kurz nachdem Rikuo erwachte, wurde das Bett mit dem ruhig schlummernden Sora
ins Zimmer geschoben. Das Narkosemittel wirkte immer noch. Die Ärzte dachten
aber, dass es das Beste war, ihn hierher zu bringen. Schließlich schien er
doch ihnen zu gehören... Rikuo oder dem Vater. Denn sonst hätte der Vater
nicht die Rechnung auf sich genommen. "Die Rechnung stellen wir Ihnen später
aus", sagte der Arzt leise und verließ das Zimmer wieder.
Rikuo
Er wandte den Kopf zu Sora und lächelte lieb. "Sora", flüsterte er und war
überaus froh ihn wiederzusehen. Sein Vater schnaubte kurz und verließ die
beiden dann einfach.
Saiga
Leider hörte Sora ihn nicht. Das Narkosemittel wirkte noch und er schlief
immer noch tief und fest. Dafür betrat aber der Truckfahrer das Zimmer und
lächelte. "Der Kleine ist ja doch noch zur Besinnung gekommen", strich er
kurz durch Soras Haar und trat dann auf Rikuos Bett zu. "Wie geht es Ihnen?"
Rikuo
Er sah ihn lächelnd an. "Den Umständen entsprechend gut denk ich." Ihm fiel
der Unfall wieder ein und er erinnerte sich an den Trucker. "Sie hatten mich
da raus geholt, oder? Dankeschön." Er wusste nicht so recht, was er hätte
sagen sollen und sein Blick wanderte gleich wieder zu Sora.
Saiga
"Nichts zu danken. Das war doch eine Selbstverständlichkeit. Ich hätte Sie
doch nicht ertrinken lassen können. Ich wäre an meinem schlechten Gewissen
gestorben... Eh." Der Trucker merkte schnell, dass Rikuo etwas abwesend war.
Den Grund dafür sah er direkt im Nebenbett. Grinsend fummelte er an Soras
Bett herum, bis er es an Rikuos schieben konnte, so dass es aussah wie ein
Doppelbett. Er hatte genau gemerkt, wie wichtig Sora für Rikuo war und das
Glück wollte er nicht zerstören. "Machen Sie ihm keine Vorwürfe... die
machte er sich schon mehr als genug."
Rikuo
"Danke." Er lächelte und streichelte Sora über die Wange. "Er konnte nichts
dafür, ich hab die Kontrolle verloren." Er seufzte und sah Sora an. "Er sieht
so hilflos aus und unschuldig... Wie ein kleines Kind." Er sah den Trucker an.
"Was glauben Sie? Ist er ein kleines Kind?"
Saiga
"Hm... Er hat den Körper eines Jugendlichen... Sooo hm... 14-17 Jahre...
irgendwo dazwischen... aber vorhin... da hat er eher wie ein verzweifeltes
Kind auf mich gewirkt, als er weglaufen wollte. Er hat nicht einen
vernünftigen Satz mehr herausgebracht", murmelte der Trucker nachdenklich.
Seine Hand wanderte auch über Soras Kopf bis zu den Ohren, die er zaghaft
streichelte. Leicht zuckten diese unter dieser Berührung. Langsam kam Sora
wieder zu sich. Zumindest nahm er wieder wahr was um ihn geschah.
Rikuo
"Ein Kind." Seufzend sah er runter. Was sollte er tun, was war er für ihn?
"Ich liebe ihn. Ich würde alles für ihn tun, aber was ist er für mich? Ich
weiß es nicht." Er sah hilflos zu dem Trucker. Warum redete er mit ihm
darüber? Was ging ihn das an? Er wusste es nicht, aber mit irgendjemandem
musste er einfach darüber reden.
Saiga
"Du weißt es nicht? Wenn du alles für ihn tun würdest? Dann kann es doch
nichts anderes als Liebe sein... Liebe für einen Menschen... Liebe für die
Person, mit der man die Ewigkeit erleben möchte", erklärte ihm der Trucker
und sah zur Uhr. Lange Zeit hatte er nicht mehr, wenn er seinen Job nicht
verlieren wollte.
Sora
Sora hörte Rikuos Stimme und zuckte leicht zusammen. Seine Hand schloss sich
fester um die des Älteren. Er wollte gerne flüchten, hatte aber auch Angst.
Rikuo
Er sah den Trucker dankbar an und lächelte leicht. "Danke für Ihre Hilfe..."
Dann wandte er sich wieder Sora zu. Er streichelte ihm sanft über den Arm und
drehte sich zu ihm. Er rutschte auf Soras Bett und kuschelte sich an. Riku
würde ihn sich nie wieder wegnehmen lassen, das war ihm jetzt klar.
Saiga
Der Trucker nickte nur lächelnd, wollte er die beiden doch nicht stören. So
schnappte er sich einen Zettel und schrieb seine Nummer auf. "Wenn was ist,
meldet euch", sagte er noch kurz und verschwand aus dem Zimmer.
Sora
Langsam öffnete Sora die Augen und sah direkt in Rikuos. Sofort schloss er
sie wieder. Er konnte nicht mehr in diese Augen blicken. Er fühlte sich so
schuldig und wollte sich somit selbst strafen. Wollte nicht mehr in die
wunderschönen Augen sehen, weil es ihn sehr schmerzte, sie nicht mehr
bewundern zu können.
Rikuo
Er bemerkte gar nicht mehr, dass der Trucker ging, sein ganzes Augenmerk war
auf Sora gerichtet. "Sora." Er strich ihm sanft über die Wange. "Sieh mich
an, bitte. Ich will deine Augen wieder strahlen sehen." Er lächelte und sah
ihn weiterhin an, in der Hoffnung, er würde tun um was er ihn gebeten hatte.
"Koibíto, bitte sieh mich an."
Sora
Nur zögernd sah Sora den Älteren an. Ein kleiner Blick genügte, um in
Tränen auszubrechen. Schluchzend vergrub er sofort sein Gesicht in seinen
bandagierten Händen. Die hatten auch einige Kratzer abbekommen, ohne, dass er
es richtig gemerkt hatte. Immer noch nicht hatte er die Worte von Rikuos Vater
vergessen, sie hallten immer noch in seinem Kopf wider. Laut schluchzte er.
Sein ganzer Körper schien unter den herzzerreißenden Schluchzern zu beben.
"Rikuo, nicht... nicht mich allein lassen soll... alles leid tut... ich...
nicht allein lassen, bitte... und... und nicht töten... bitte... ich... ich
nicht tot..." Wieder musste er schluchzend abbrechen.
Rikuo
Er sah ihn fast geschockt an. "Sora... wer sagt denn was von Tod und töten,
beruhig dich bitte, niemand tut dir etwas, niemand tötet dich. Ich lass dich
nicht allein, ich pass doch auf dich auf." Er zog ihn zu sich ran und schloss
ihn in die Arme. Außer den Rippenbrüchen und einigen Kratzern und Schnitten
an Armen und Beinen war ihm nichts passiert, doch weh tat es trotzdem
ziemlich. Er schob ihn leicht von sich, um ihm ins Gesicht gucken zu können.
"Sora. Ich liebe dich, ich lass dich nie wieder allein, versprochen", sagte er
ruhig und küsste ihn sanft.
Sora
"Du lügst... Ich... ich Dreckvieh... Ich... ich tot gehen muss... Ich..." Er
kam einfach nicht weiter. Er konnte es einfach nicht aussprechen. "Dein Vater
mich tot macht", flüsterte er nur noch, krallte sich in die Decke und
zitterte wieder. Er glaubte es dem Vater. Er glaubte es, dass er ihn töten
würde. Er hatte diesen hasserfüllten Blick gesehen. Er wusste, dass er dies
nicht nur aus Spaß gesagt hatte. Auch Sora war noch relativ verschont
geblieben. Kratzer und Prellungen hatte er auch, nur die Wunde am Kopf war
etwas schlimmer gewesen.
Rikuo
"Mein Vater?" Fassungslos sah er ihn an. Warum tat ihm sein Vater das an? Er
hatte ihm schon früher mal einen guten Freund vergrault, allerdings hatte er
diesen bestochen, dass er sich von Rikuo trennte, aber Sora ließ er sich
sicher nicht wegnehmen! "Sora! Sieh mich an! Er wird dir nichts tun. Ich
versprech's dir, du bist kein Drecksvieh. Du bist Sora, den ich über alles
liebe und den ich mir nie im Leben wegnehmen lassen würde." Er drückte ihn
wieder an sich und streichelte ihn sanft. "Sora, bitte wein nicht
mehr."