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Das Ende, der Anfang und die Zeit dazwischen

von

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Helsinki

*********************** 2016 ***********************
 

„Warum konnten wir Uruhas Geburtstag nicht in Deutschland feiern? Das wär viel günstiger gewesen“, grummelte Kai und sah dabei zu, wie Aoi eine weitere Runde bestellte. Sie alle wussten nicht, was es genau war… Aber es war teuer.

Ruki lächelte den Drummer mitfühlend an. „Weil wir gestern den ganzen Tag mit Packen und Warten am Flughafen verbracht haben. Also wird jetzt nachgefeiert. Und hör auf so zu tun, als würde es dir keinen Spaß machen.“
 

Kai verdrehte die Augen, aber Ruki konnte trotzdem ein Schmunzeln auf den Lippen des Drummers sehen. Es war auch wirklich schwer, sich an diesem Ort nicht wohlzufühlen. Es war der 10. Juni und sie hatten sich nach dem Konzert in Helsinki dazu entschlossen, Uruhas Geburtstag vom Vortag nachzufeiern. Nach kurzer Suche hatten sie tatsächlich eine kleine Kneipe mit freundlichen Kellnern und gemütlicher Atmosphäre gefunden. Außerdem schienen die Preise für finnische Verhältnisse in Ordnung zu sein. Das würde er aber Kai nicht sagen, da dieser schon wieder skeptisch auf sein Glas starrte.
 

„Mach dich mal locker, Kai!“, meldete sich Reita zu Wort. „Wir machen das doch nur, weil wir Uruha so lieb haben. Stimmt doch, Ruki?“

Der Blonde hatte bei den Worten seinen Arm um den besagten Gitarristen geworfen und grinste Ruki an. Scheinbar wartete er auf Zustimmung.

Ruki fühlte sich wie erstarrt. Er konnte keine Worte finden. Und dabei war es doch so leicht! Nur ein dummer Kommentar unter Freunden und ohne tiefere Bedeutung! Wieso konnte er nicht einfach sagen, dass…

„Jetzt tu nicht so scheinheilig, Reita! Du willst dich doch nur betrinken und dich darüber lustig machen, dass ich für den Abend die Spesenabrechnung schreiben muss.“

„Stimmt. Und weil ich Ruha lieb hab!“ Reita zog den Gitarristen enger an sich, während dieser versuchte, sich lachend aus dem Oktopusgriff zu winden.
 

Ruki musste bei dem Bild ebenfalls lachen und entspannte sich wieder. Gut, dass sich die Situation selbst geklärt hatte. Das hätte noch peinlich werden können. Ob Uruha sein Zögern bemerkt hatte?

Er konnte es nicht verstehen. Uruha war derjenige gewesen, der bei ihrer kleinen Gitarren-Session-Kompositionsstunde gesagt hatte, sie sollten das wieder öfter machen. Er war auf ihn zugekommen. Es war nicht das erste Mal, dass sich Ruki fragte, was das sollte. Er freute sich, dass Uruha und er auf dieser Tour wieder näher zusammengefunden hatten, aber gleichzeitig war es auch beängstigend. Er wollte das nicht nochmal durchmachen. Aber zurückrudern konnte er auch nicht. So stark sein Willen in anderen Dingen auch war, diesbezüglich war er gebrochen. Auch wenn er wusste, was gut und was nicht gut für ihn war. Tief in seinem Innern wollte er Uruha wieder näher kommen und es hatte keinen Zweck, das zu leugnen. Aber er konnte einfach überhaupt nicht vorhersehen, wie das ganze weitergehen sollte. Und wenn er ehrlich mit sich war, würde er auch am liebsten die Augen davor verschließen.
 

Uruha wusste, warum er gezögert hatte. Und eigentlich war das auch gut so. Er wollte zwar, dass sie sich wieder näher kamen, aber er wollte auch nicht denselben Fehler begehen wie damals. Uruha sollte wissen, dass er nicht mehr so dumm war wie vor drei Jahren. Und wie dumm er gewesen war.
 

Ruki griff nach seinem Glas und stürzte die restlichen Schlucke auf einmal herunter, um die sich leise anschleichende Wut in seinem Magen direkt zu ertränken. Die Wut auf sich und auch auf Uruha. Die konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen, schließlich war das hier die nachträgliche Geburtstagsfeier für den Gitarristen und auch die Abschlussfeier für eine erfolgreiche Europatour. Wenn sie zu Hause waren, konnte er wieder wütend auf die Welt und seine eigene Dummheit sein, aber heute wollte er Spaß haben und einen er letzten Abende in Europa mit seinen Freunden und Kollegen feiern.
 

Natürlich war bei dieser Party auch ihr Staff dabei, der sich zwischen die Member gestohlen hatte – sowohl Europäer als auch die Japaner, mit denen sie zusammen geflogen waren. Zusammen nahmen sie gut die Hälfte der kleinen Kneipe für sich in Anspruch, was den Lokalbesitzer nicht zu stören schien. Natürlich nicht. Wahrscheinlich machte er gerade mehr Umsatz als sonst in einer ganzen Woche. Für Ruki war das außerdem eine gute Gelegenheit, um sich einen Gesprächspartner zu suchen, der nicht Uruha war, und ein Gesprächsthema zu wählen, das nichts mit dem Gitarristen zu tun hatte.
 

Und so entschied der Sänger, sich nach einem Gang auf die Toilette auf einen freien Platz zwischen zwei Staff-Membern zu setzen und diese in eine Unterhaltung zu verwickeln. Er ignorierte einfach, dass die Beiden anfangs von seinem Verhalten irritiert waren und ein paar Minuten brauchten, um aufzutauen. Man konnte es ihnen nicht wirklich verdenken.

Ruki war überzeugt, dass er ein netter und sympathischer Kerl war und das würden seine Freunde auch bestätigen! Nur Small Talk war einfach nicht seine Stärke. Und so kam es, dass er mit vielen der Staff-Member noch nie mehr als ein höfliches Lächeln und professionelle Worte ausgetauscht hatte.
 

Es war unfair, dass er deshalb oft als unfreundlich abgestempelt wurde. Vor allem weil Uruha viel schlimmer als er sein konnte! Der Gitarrist meinte es nicht böse, aber wenn er schlechte Laune hatte, dann bekam das auch jeder im Raum deutlich zu spüren. Und trotzdem schienen es ihm alle immer zu verzeihen. Die Mitarbeiter wirkten oft geradezu dankbar, wenn Uruha ihnen ab und an ein kleines Lächeln schenkte.
 

Auch jetzt hatte sich eine Traube an Staff-Membern um den Gitarristen gebildet. Sie waren zwar teilweise in andere Gespräche verwickelt, aber jedes Mal, wenn Uruha auflachte oder das Wort ergriff, huschten alle Augenpaare zu ihm. Er zog die Menschen an, wie das Licht die Motten.

Ruki würde es ja auf die Tatsache schieben, dass sie Uruhas Geburtstag feierten und er deshalb der Mittelpunkt war. Aber irgendwie war er immer der Mittelpunkt – stach aus jeder Menge sofort heraus. Und außerdem sah er heute, selbst für seine Verhältnisse, verdammt gut aus. Wer würde da nicht gern neben ihm sitzen wollen? Sich von dem Lachen anstecken lassen wollen?

Verdammt, wieso saß er nicht neben Uruha und ließ sich von seinem Lachen anstecken??
 

Nein, er würde jetzt nicht missmutig hier sitzen und den Abend nicht genießen! Er würde Spaß haben! Deshalb lachte er auch ein bisschen zu laut auf einen Kommentar des Staff, der neben ihm saß. Die einzige Person, die übrigens zwischen ihm und Uruha saß. Vielleicht konnte er ihn ja irgendwie loswerden? Dann könnte er rüberrutschen und…
 

Warum sahen ihn denn jetzt alle so erwartungsvoll an? Oder zumindest die, die um Uruha herumsaßen? „Was?“ Hatte jemand mit ihm gesprochen? Er war doch gerade dabei, einen Plan auszuhecken! Den er natürlich sowieso nicht umsetzen würde, weil sein Verstand sich vorher hoffentlich einzuschalten wusste.

„Du sollst die Geschichte erzählen, als du fast von der Bühne geflogen wärst!“ Der Gitarrist lehnte sich über den Staff-Member und boxte Ruki lachend in die Schulter.

„ICH? Du bist doch der, den es ständig auf der Bühne hinbrettert! Oder davon runter!“, schrie er zurück. Teilweise war wohl die Musik Schuld, die im Hintergrund spielte. Teilweise aber wohl auch, weil es diese Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen wollte.

„Gar nicht wahr! Das ist vielleicht… einmal passiert. Oder eineinhalbmal.“

„Eineinhalbmal allein auf dieser Europatour!“

„Ähm, wir können auch gerne Plätze tauschen…“, warf der Staff, der zwischen ihnen saß, leise ein.

„Ah, dann würde ich dich auch mal besser verstehen! Hab das Gefühl, wir haben heut noch gar nicht miteinander geredet.“ Bevor Ruki es überhaupt realisierte, stand Uruha schon auf und schob sich über den Kerl, der stattdessen auf der Bank zu Uruhas ehemaligem Platz rüberrutschte. Was der Gitarrist dabei nicht bemerkte, war das Bierglas, das auf dem Tisch stand und zwei Sekunden später seinen Inhalt auf seine und Rukis Hose schüttete.

Die Reaktionsgeschwindigkeit von allen hatte wohl schon drastisch abgenommen, denn Ruki bemerkte das Malheur erst, als er die Nässe langsam durch seine Hose sickern spürte. Aber da waren sie wohl nicht die einzigen, denn statt dass irgendjemand nach dem umgefallenen Glas griff, lachten alle nur schallend. Sogar Uruha, der, wie Ruki jetzt bemerkte, eine ebenfalls große Menge auf seiner Hose verteilt hatte.

Ruki versuchte ruhig zu bleiben und über den Vorfall zu lachen. Er wusste, dass sie alle angetrunken waren und dass Uruha das Bier nicht mit Absicht verschüttet hatte. Er konnte es nur nicht leiden, wenn seine Sachen dreckig wurden. Und der Alkohol würde sicher einen netten Fleck hinterlassen. Vom Geruch ganz zu Schweigen…
 

Scheinbar war sein aufgesetztes Lachen nicht sehr überzeugend, denn Uruha bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick, bevor er ihn sanft am Arm nahm und Richtung Männertoilette zog.

„Tut mir Leid“, meinte der Gitarrist, als sie den Raum betreten hatten.

Ruki zuckte mit den Schultern und ließ sich von Uruha ein paar Papierhandtücher aus dem Spender über dem Waschbecken reichen. „War ja keine Absicht.“

„Nein, aber es ärgert dich“, antwortete der Gitarrist.

„Ist das so offensichtlich?“ Mist. Ruki hatte wirklich gedacht, dass sein Poker-Face besser wäre.

„Es ist nicht wirklich offensichtlich. Außer man kennt dich.“
 

Ruki sah Uruha überrascht an, aber konnte dann ein Lächeln nicht unterdrücken. Ihm gefielen die Worte des Gitarristen. Die Vorstellung, dass Uruha ihn so gut lesen konnte, war beruhigend und aufregend zugleich. Er fragte sich ernsthaft, wie viel er getrunken hatte, dass er jetzt dümmlich grinsend in einer Männertoilette in Helsinki stand, während seine Hose und Boxershorts mit Bier durchtränkt waren. Aber auch Uruha machte keinen besseren Eindruck. Sein Blick hatte schon fast etwas Verträumtes. Ruki versuchte sich nichts darauf einzubilden. Es war nur der Alkohol. Nichts weiter.

Er räusperte sich etwas verlegen. „Vielleicht sollten wir wieder zu den Anderen. Trockener bekommen wir unsere Hosen eh nicht“, meinte der Sänger, aber bekam keine Antwort.

„Uruha?“, hakte er nach und weckte den Anderen somit aus seinen Tagträumen. Der sanfte Blick verschwand. Stattdessen legte der Gitarrist die Stirn in Falten als würde er schwer nachdenken. Okay. Scheinbar hatte er echt zu viel Alkohol gehabt.
 

Ruki verließ etwas verunsichert die Toilette. Der Gitarrist würde ihm schon folgen. Tatsächlich kam dieser hinterher und schnappte nach Rukis Arm.

„Wollen wir uns vielleicht kurz an die Theke setzen? Ich geb dir Einen aus.“

„Wir bekommen doch heute eh alles umsonst“, erwiderte der Sänger scherzhaft.

„Den zahl ich selbst.“

Ruki zögerte. Es war keine gute Idee. Und das wusste er. Die Stimmung war umgeschlagen. Er war zwar noch genauso angetrunken wie vor zwei Minuten als Uruha seine Hose ruiniert hatte, aber er war nicht blöd. Trotzdem konnte er einfach keine Ausreden mehr finden, als er in das bittende Gesicht des anderen sah. Ruki wusste, wenn er nochmal verneinte, würde der Größere nicht mehr nachfragen und sie würden zurück zum Tisch mit den anderen gehen. Dort würden sie weiter trinken und weiter lachen, aber etwas wäre trotzdem anders, denn beide wussten, dass Uruha mit ihm reden wollte. Worüber, konnte sich Ruki nur zusammenreimen, trotzdem war er sich nicht sicher, was der andere wirklich sagen wollte. Eines wusste er aber: Er sollte es sich anhören. Er würde es sicher bereuen und es wahrscheinlich nie erfahren, wenn er sich jetzt wieder zu den anderen setzte.
 

Natürlich trug der Alkohol zu solchen Entscheidungen und Gesprächen bei, aber wahrscheinlich würden sie die nächste Ewigkeit über nicht mehr den Mut haben, sich so zusammenzusetzen und über etwas zu sprechen, das die Band zwar direkt, aber nicht in erster Linie betraf. Was auch immer Uruha sagen wollte, es ging um ihn und Ruki. Es ging nicht um die Band.
 

„Okay. Für ein Glas. Die anderen werden es sowieso schon komisch genug finden, dass wir uns nicht mehr zu ihnen setzen. Das ist nicht gut fürs Bandklima, wenn sich zwei bei der Geburtstagsparty und der Fast-Abschlussfeier der Tour wo anders hinsetzen.“

„Du klingst wie Kai“, grinste ihn Uruha müde an und warf die restlichen benutzten Papiertücher in den Mülleimer. „Aber auch Kai hat manchmal Recht.“

In Ruki zog sich etwas plötzlich schmerzhaft zusammen. Ja, Kai hatte manchmal Recht. Aber manchmal wünschte er sich auch, dass Kai nicht immer alles wusste und manchmal auch einfach die Klappe hielt. Andererseits hatte ihm die Ehrlichkeit ihres Leaders schon noch größeres Leid erspart. Ruki fiel da besonders ein Tag vor nicht allzu vielen Jahren ein. „Klar, er wär sonst nicht unser Leader.“ Ruki zuckte mit den Schultern und folgte Uruha dann nach draußen, wo sie sich zwei Hocker an der Theke nahmen.
 

Kurz warf er einen Blick in die große Runde von Band und Staff, aber die schien ihre Abwesenheit gar nicht zu stören und es schien auch niemand bemerkt zu haben, dass sie sich ein bisschen Zweisamkeit gönnten.

Uruha winkte dem Kellner zu, der kurz danach zwei Biergläser vor ihnen abstellte. Ruki nahm einen Schluck, aber tat nichts, um die Stille zu brechen. Schließlich hatte der Gitarrist mit ihm reden wollen.
 

„Ich vermisse das hier“, meinte dieser dann nach einer Weile.

„Was? Das verlegene Schweigen?“, schnaubte Ruki, woraufhin Uruha auflachte.

„Nein, aber ich vermisse es, wie du mich mit deinen zynischen Kommentaren immer zum Lachen bringst. Und ich vermisse es, Zeit mit dir zu verbringen. Ich vermisse dich.“

Ruki wollte das nicht hören. „Du kannst mich gar nicht vermissen. Wir sind ständig zusammen.“

Uruha erwiderte nichts, sondern sah den Sänger einfach nur an. Und der Blick sagte alles. Ruki wusste, was der Andere meinte. Seit dem Vorfall damals hatte sich ihre Beziehung verändert. Ja, sie waren noch Freunde, aber sie standen sich nicht mehr so nahe wie sie es damals getan hatten.

„Die letzten paar Wochen haben mir erst richtig gezeigt, wie sehr ich den „alten Ruki“ zurück brauche. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät?“, fragte Uruha zaghaft.

Ruki deutete ein Nicken an. Zu mehr war er nicht in der Lage. Er hatte sich nie eingestanden, wie sehr er das wollte. Vielleicht hatten sie trotz all dem Schmerz die Chance, die Scherben gemeinsam aufzusammeln. Vielleicht konnten sie doch zusammen sein.
 

Uruha lächelte ihn hoffnungsvoll an und räusperte sich, bevor er weitersprach.

Was würde er jetzt sagen? Würde er nach Rukis Hand greifen und ihn fragen, ob sie zusammen zurück zum Hotel gehen wollen? Würde er ihn küssen und gestehen, dass er Gefühle für Ruki hatte? Und Ruki damit endlich bestätigen, dass all die Fliterei von damals nicht nur ein unbedeutendes Spiel gewesen war.
 

„Das, was du damals getan hast, hat mich schwer verletzt. Aber ich kann deshalb nicht alles andere zwischen uns vergessen. Dafür bist du mir einfach zu wichtig. Ruki, ich verzeihe dir.“
 

Stille.
 

Das waren seine Sätze gewesen. Oder eher, hätten sie sein sollen. Das war genau das, was Ruki eigentlich zu Uruha hatte sagen wollen! Haargenau das gleiche. Uruha war es gewesen, der ihn verletzt hatte. Aber Ruki war mittlerweile so weit, ihm das zu verzeihen. Vor allem diese Tour hatte ihm das gezeigt.

„Was zur… Du verzeihst mir?“, fragte Ruki leise, nur um sicher zu gehen, dass er das auch wirklich richtig verstanden hatte. Er wollte Uruha verzeihen – ihm selbst musste nicht verziehen werden! Er hatte nichts falsch gemacht!

„Ja, ich meine, ich will nicht, dass es zwischen uns so weiterläuft wie die letzten… äh… Jahre. Deshalb…“

„Du verzeihst mir??“, schnitt ihm der Sänger das Wort ab, jetzt eine Spur lauter.

„Ja, das hab ich do-“

„Lass dir mal eins gesagt sein: Ich verzeihe DIR!“

Uruha zog seine Augenbrauen hoch. Er schien völlig verwirrt zu sein.

„Oder zumindest wollte ich das sagen! Aber du hast mir die Worte ja aus dem Mund genommen und ich hab keine Ahnung warum, weil ich keine Ahnung habe, was du mir eigentlich so großzügig zu verzeihen hättest! Du bist doch der, der Scheiße gebaut hat!“ Ruki redete sich in Rage und wusste gar nicht, wo und wie er aufhören sollte. Scheinbar war Uruha anderer Meinung gewesen, was ihren Grund anging, dass sie nicht mehr so gut miteinander auskamen wie früher. Scheinbar hatte Uruha Ruki die ganze Schuld an dem Schlamassel gegeben. Dabei war es doch genau andersrum gewesen! Uruha hatte schließlich die ganze Zeit-

„Ihr könntet ruhig mal wieder zurück an den Tisch kommen. Scheint nicht so als hättet ihr hier super viel Spaß zu zweit“, riss eine Stimme Ruki aus den wild durcheinander fliegenden Gedanken.

Und so störend er diese Person, die sich als Staff-Member herausstellt, auch fand, eigentlich kam sie ihm gerade gelegen. Er hatte keine Lust mit Uruha darüber zu diskutieren, warum dieser der Ansicht war, dass Ruki Schuld an allem hatte. Er musste sich keine Vorwürfe machen lassen. Vielleicht war es gut, wenn sie das Gespräch hier beendeten. Er war viel zu aufgebracht, um ein anständiges Gespräch hinzubekommen, ohne Uruha Vorwürfe zu machen, die er später vielleicht bereuen würde. Zumindest sagte ihm das eine kleine, aber ziemlich penetrante Stimme in seinem Hinterkopf.

Mit einem vernichtenden Blick auf den Gitarristen, der irgendwie ziemlich ratlos schien, schnappte er sich sein Bier und setzte sich zu den anderen zurück an den Tisch. Die anderen Member und der Staff schienen zwar noch immer guter Laune zu sein, für ihn war die Stimmung allerdings ruiniert.
 

*********************** 2013 ***********************
 

Uruha atmete tief durch. Es gab keinen Grund, nervös zu sein. Er würde Ruki einfach fragen, ob sie abends zusammen essen gehen wollen. In Tokyo hatte er das gefühlt schon tausend Mal getan. Nur sollte es dieses Mal mehr sein als ein Essen zwischen zwei Freunden. Und Ruki würde das wissen.
 

Er war sich zu 99 Prozent sicher, dass Ruki zusagen würde. Sie hatten zwar noch nicht über den Kuss in München geredet, aber Uruha hatte Augen im Kopf. Jedes Mal, wenn sie sich ansahen, war da ein Feuer in Rukis Blick und ein fast schüchternes Lächeln auf seinen Lippen. Fast so, als wäre es ihm peinlich, dass er Uruha wie ein hungriges Raubtier anstarrte. Und als würde es ihm gleichzeitig auch gefallen.

Es machte Uruha fast wahnsinnig. Auf eine gute Weise.
 

Trotzdem war da noch dieses eine Prozent, das alles zerstören konnte. Was war, wenn er sich nur einbildete, dass es zwischen Ruki und ihm eine feurige Spannung gab und am Ende war es nur betretene Funkstille? Schließlich hatte der Sänger seit dem Kuss am Vortag nicht das Gespräch mit ihm gesucht. Vielleicht dachte er also, der Kuss sei ein Fehler gewesen und versuchte die Erinnerung zu verdrängen, um ihre Freundschaft zu schützen. Und Uruha würde alles nur noch schlimmer machen, wenn er nach einem Date fragte.
 

Und selbst wenn Ruki der Verabredung zustimmte, wie würde es weitergehen? Würden sie sich wieder küssen oder sogar die Nacht zusammen verbringen? Wäre das klug, oder sollten sie es lieber langsam angehen, wenn sie eine ernste Beziehung haben wollten? Wollte Ruki überhaupt eine ernste Beziehung oder nur eine harmlose Flirterei und ein wenig Spaß?
 

Uruha merkte, dass von seinen tiefen Atemzügen nichts mehr geblieben war und er beinahe hyperventilierte. Ruki um ein Date zu bitten, war eine dumme Idee gewesen. Er sollte zurück auf sein Hotelzimmer gehen. Vielleicht fand er dort etwas um seine Nerven zu beruhigen. Tee. Oder Alkohol.
 

Vor einer Stunde waren sie im Hotel in Helsinki angekommen und morgen hatten sie ihr letztes Konzert der Tour. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie nach dem letzten Konzert alle zusammen einen Trinken gehen und auf die gelungene Tour anstoßen würden, deshalb war der heutige Abend der einzige, an dem er Ruki um ein Date bitten konnte. Außer er würde warten bis sie zurück in Japan waren, aber dort gab es wieder so viel Stress und irgendwie war es doch etwas anderes, im Ausland um ein Date zu bitten. Wenn sie nicht in vertrauter Umgebung waren und nicht alles seinen alltäglichen Trott ging.
 

Uruhas Gedankengang trug nicht gerade dazu bei, sein Hyperventilieren zu bekämpfen. Dafür stellte es sich ein paar Sekunden später aber mit einem Schlag ein. Genau genommen atmete Uruha für ein paar Sekunden gar nicht mehr als sich die Tür öffnete, vor der er stand, und Ruki fast gegen ihn rannte.

„Ruha, was machst du denn vor meiner Tür!?“ Der Sänger trug noch immer – oder wieder? – seine große Sonnenbrille. Außerdem hatte er andere Klamotten an. Die keine Klamotten waren, um im Hotelzimmer zu gammeln, so stylisch Ruki auch selbst zu Hause rumlief.

Viel zu überrascht beziehungsweise schockiert über den plötzlichen Überfall sagte Uruha erstmal gar nichts. Musste er auch nicht, denn der andere sprach gleich weiter, senkte den Blick allerdings ein wenig als wüsste er selbst nicht genau, wie er die Sache angehen sollte – zumindest sah es so aus. Uruha konnte das wegen der Sonnenbrille des anderen nicht ganz sicher sagen. „Ich wollte eigentlich gerade rüberkommen und fragen, ob du Lust hast was zu essen. Ich meine… morgen sind wir ja wieder mit der ganzen Truppe unterwegs und ich dachte, dass vielleicht ein wenig weniger Trubel ganz gut wäre?“
 

Ausatmen. Langsam und nicht allzu panisch ausatmen. Das waren die einzigen Gedanken, die Uruha hatte, bevor er ein leises „Klar. In einer Stunde dann?“ stotterte und sich ohne auf Rukis Antwort zu warten auf dem Absatz umdrehte und zurück zu seinem Zimmer marschierte. Mechanisch öffnete er die Tür mit der Karte, die er noch in der Hand hielt, und schloss sie ohne sich noch einmal umzudrehen.
 

Oh Gott, er war ja sowas von am Arsch.
 

Uruha ließ sich auf sein Bett fallen und überlegte kurz, ob er in sein Kissen schreien sollte. Aber das war wahrscheinlich nicht klug. Soweit er wusste, war Aois Zimmer genau neben seinem und die Wände schienen dünn zu sein.
 

Was bedeutete, dass sie heute Nacht auf Rukis Zimmer gehen mussten, wenn das Date gut lief.
 

Ok, jetzt wollte er nur noch mehr schreien und außerdem wurde ihm ganz heiß. War er sich überhaupt sicher, dass es ein Date war? Uruha versuchte die Szene zu rekonstruieren, was ihm leider nicht leicht fiel. Er war noch immer benebelt.

Ruki hatte ihn gefragt, ob sie zusammen essen gehen wollten.

Nein.

Er hatte gefragt, ob sie ALLEINE essen gehen wollen.

Und es schien so als hätte sich Ruki dafür extra umgezogen.

Das deutete alles ganz eindeutig auf ein Date hin!
 

Obwohl Ruki eigentlich jede Chance nutze, um sich stylisch anzuziehen. Seine Arztbesuche wirkten wie die Pariser Fashion-Show. Und es war auch nicht ungewöhnlich, dass sie nur zu zweit essen gingen. Vielleicht hatte der Sänger einfach genug von den vielen Menschen.

Vielleicht würde der Verabredungsort den fehlenden Hinweis bringen…
 

Uruha saß plötzlich kerzengerade im Bett.

„Nein, nein, nein“, murmelte er und schlug sich gegen die Stirn. Er hatte mit Ruki nicht ausgemacht, wo sie sich treffen würden. Sollte er in einer Stunde einfach bei dem Sänger klopfen? Oder holte Ruki ihn ab? Allerdings hatte Ruki so ausgehen, als wolle er das Hotel verlassen…

Es half alles nichts. Uruha musste nachfragen, wo das Vielleicht-Date stattfinden würde.
 

Er griff fluchend zu seinem Handy und sah, dass er eine Nachricht bekommen hatte.

Von Ruki.

„Hier ist der Standort. Wir sehen uns in 45 Minuten. Freu mich (^.-)“
 

Uruha googelte sofort das Restaurant und klickte auf die Galerie-Bilder.

Kleines Restaurant.

Gedämpftes Licht.

Kerzenschein.
 

Definitiv kein Lokal, das man mit einem Kumpel besucht. Und dazu das zwinkernde Emoji!

Uruha führte einen kleinen Freudentanz auf.

Das war mit Sicherheit ein Date! Ruki hatte ihn um ein Date gebeten,

in einem intimen, kleinen Restaurant,

das laut seinem Handy 15 Minuten vom Hotel entfernt war,

und er hatte nur noch 40 Minuten Zeit.
 

Nach 30 Minuten sah sein Zimmer aus wie ein Schlachtfeld.

Der Inhalt seines kompletten Koffers lag auf dem Bett und sogar in dem kleinen Bad verteilt. Er warf zum hundertsten Mal einen prüfenden Blick in den Spiegel, der zwischen Klo und Mini-Wanne über dem Waschbecken befestigt war. Und zum hundertsten Mal fluchte er darüber, dass er darin nicht sein ganzes Outfit betrachten konnte, weil der Spiegel schlichtweg zu klein war.

Sein Handywecker meldete sich schon zum vierten Mal. Er hatte sich selbst einen Timer gesetzt, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, zu dem er das Hotel in Richtung Restaurant verlassen sollte, damit er nicht zu spät kam. Leider hatte er schon dreimal auf den Schlummer-Modus gedrückt und sich eingeredet, dass er schon noch genug Zeit hatte.

Mit einem leisen „Fuck“ machte er die paar Schritte zu seinem Bett, wo sein Handy lag, und schaltete den Wecker letztendlich doch ganz aus. Er musste los. Da führte kein Weg dran vorbei. Wahrscheinlich musste er jetzt schon halb rennen und wenn er noch später losging würde er sprinten müssen und dann schweißüberströmt ankommen – kein toller Gedanke für ein offizielles erstes Date.
 

Uruha schnappte sich sein Handy und warf es in die kleine Männerhandtasche, in der sich schon das Nötigste befand – Geldbeutel, Ausweis, Deo – und warf nochmal einen prüfenden Blick in Richtung Badspiegel, bevor er die Schlüsselkarte aus dem vorgesehenen Schlitz neben der Tür zog. Das Licht und die Klimaanlage schalteten sich automatisch aus und Uruha nickte kurz. Es war Zeit. Wenn er sich jetzt beeilte, würde er sogar noch rechtzeitig im Restaurant ankommen!
 

Tatsächlich war er letztendlich zwei Minuten zu spät. Absolut in Ordnung, wie er fand! Schließlich musste man ja nicht schon total gelangweilt und wartend am Tisch sitzen. Das sah ja aus als könnte er es gar nicht mehr erwarten! Nicht, dass das nicht der Wahrheit entsprach, aber er musste es Ruki ja nicht direkt gleich auf die Nase binden. Er sah sich einmal im Restaurant um, aber konnte den Sänger nirgends sehen. Eigenartig. Gab es vielleicht einen Außenbereich oder einen Nebenraum? Oder einen Privatbereich, wo sie ganz alleine sein konnten …

„Entschuldigung, kann ich Ihnen helfen?“, wurde Uruha von einem Kellner auf Englisch angesprochen.

„Ja, ich bin auf der Suche nach meinem … also … Ich bin hier verabredet“, versuchte es der Gitarrist in gebrochenem Englisch.

Unter welchem Namen Ruki wohl reserviert hatte? Bevor Uruha sein Rate-Spiel beginnen konnte, zeigte der Kellner schon freudestrahlend auf einen der Plätze.

„Natürlich! Ihr Freund war vorhin hier und hat sich den Tisch dort hinten am Fenster ausgesucht. Da ist man ein wenig ungestört. Ein sehr schöner Platz.“

Der Gitarrist sah den Mann verwirrt an und sein Lächeln verschwand.

„Oh… es war ein asiatischer Mann vor ein paar Stunden hier, deshalb dachte ich, es handele sich um Ihre Verabredung, was etwas voreilig war. Entschuldigen Sie bitte, ich …“

„Nein, nein!“, unterbrach Uruha lachend. „Das war er sicher! Vielen Dank.“
 

Er ließ sich von dem Kellner an ihren Platz führen und setzte sich zufrieden hin. Der Tisch stand tatsächlich etwas weiter abseits von den anderen, so dass man seine Zweisamkeit genießen konnte. Gleichzeitige gewährte die Fensterfront einen Ausblick auf einen wunderschönen kleinen Garten. Uruha konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der Platz war perfekt und was anderes hätte er von Ruki bei einem ersten Date auch nicht erwartet.
 

Allerdings hätte er aber auch erwartet, dass der Sänger überpünktlich sein würde.

Vielleicht hatte er sich wie Uruha selbst zu sehr in Gedanken verloren.

Das gab dem Gitarristen wenigstens noch Zeit, um einen ersten Blick in die Karte zu werfen …

… und um auf seinem Handy nach den japanischen Übersetzungen für die Gerichte zu suchen.

… und um sich für ein Gericht zu entscheiden.

… und um sich lieber für ein anderes Gericht zu entscheiden.

… und um sich doch wieder für das erste Gericht zu entscheiden.
 

Seufzend legte Uruha die Karte zur Seite und griff nach seinem Handy. Inzwischen war Ruki 15 Minuten zu spät.

Sie hatten sich alle mobiles Internet geliehen, um auch im Ausland nicht völlig hilflos in der nächsten Gasse zu enden. Also könnte Ruki ihn eigentlich jederzeit erreichen und sagen, dass er sich verlaufen hatte oder noch an seinem Styling saß oder beim Shopping die Zeit vergessen hatte, aber nichts. Uruhas Handy gab keinen Mucks von sich.

Sollte er Ruki einfach mal anschreiben und fragen, wo er blieb? Bei manchen Leuten war es normal, dass sie Verspätung hatten und auch bei Ruki kam es ab und zu vor, aber es verwirrte ihn schon sehr. Der andere war schließlich vorher schon dagewesen und hatte sich extra ein Tisch ausgesucht, damit auch alles perfekt wurde!
 

„Möchten Sie schon bestellen?“, riss ihn der Kellner von zuvor auf Englisch aus seinen Gedanken.

„Nein nein“, Uruha schüttelte schnell den Kopf und deutete auf sein Handy. „Ich warte noch.“ Er war froh, dass er zumindest irgendwelche englischen Worte herausbrachte, die der Kellner verstand. Der nickte ihm ein wenig mitleidig zu und verschwand dann zum nächsten Tisch, um dort die Bestellung aufzunehmen.
 

Weitere zehn Minuten später, in denen sich Uruha alle möglichen Szenarien ausgemalt hatte, griff er genervt und besorgt zugleich nach dem Handy auf dem Tisch, das er vor vier Sekunden erst dorthin gelegt hatte.

„Alles okay bei dir? Verspätest du dich?“ Er versuchte nicht genervt zu klingen, als er Ruki eine Nachricht schrieb. Vielleicht sollte er lieber anrufen, aber er war sich nicht sicher, wie anklagend seine Stimme klingen würde. Schließlich ließ ihn Ruki seit einer knappen halben Stunde wie bestellt und nicht abgeholt an diesem Tisch in einem fremden Land sitzen. Alle sahen ihn schon neugierig und mitleidig an und er wusste nicht, wie lange er hier noch so sitzen wollte. Andererseits wollte er auch nicht aufstehen und gehen. Wer wusste schon, warum Ruki noch nicht da war? Vielleicht würde er ja in dem Moment kommen, in dem Uruha außer Sichtweite des Restaurants war!

Also blieb Uruha weiter sitzen und starrte stur aus dem Fenster. Er sah aus dem Augenwinkel, wie der Kellner immer wieder in seine Richtung sah und irgendwann dann doch erneut vor ihm stand.
 

„Wie sah der Mann denn aus, der hier reserviert hat?“ fragte der Gitarrist direkt, bevor sein Gegenüber überhaupt den Mund aufmachen konnte. Nur allein bei dem mitleidigen Blick des Kellners wäre Uruha am liebsten im Boden versunken

„Es war ein etwas kleinerer asiatischer Mann in schwarzer Kleidung und blonden Haaren. Er…“

„Ja, in Ordnung“, schnitt Uruha dem Mann das Wort ab. Er wusste, wie unhöflich er sich gerade benahm, aber die ganze Situation war ihm nur noch schrecklich unangenehm.

Dem Kellner ging es scheinbar ähnlich, denn er schenkte dem Gitarristen ein gequältes Lächeln: „Aber möchten Sie denn nicht bereits etwas zu trinken bestellen, während Sie… warten?“

Uruha merkte, wie ihm der Kopf rot anlief. Er musste hier raus und zwar sofort.

„Nein, das ist schon ok. Ich gehe jetzt einfach und mach den Tisch für jemanden frei, der…“ nicht versetzt wurde.

Er sprach die Worte nicht aus, aber das musste er auch gar nicht. Er wusste, was er meinte. Der Kellner wusste, was er meinte. Das ganze Restaurant wusste wahrscheinlich, was er meinte.
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schnappte er seine Jacke und verließ fluchtartig das Gebäude.

Uruha war froh, dass er sich im Ausland befand. Wäre ihm das in Tokyo passiert, hätte er sich die nächsten Jahre nicht mehr in dem Viertel blicken lassen.

Was war nur mit Ruki los? Uruha hatte über 45 Minuten gewartet. War etwas vorgefallen und etwas stimmte mit Rukis Handy nicht? Am besten war es, einfach zurück ins Hotel zu gehen und den Sänger zu suchen.
 

Kurze Zeit später stand Uruha bereits vor der Hoteltür des Sängers. Er wollte gerade klopfen, aber nahm dann doch die Faust wieder runter. Sein Puls war viel zu hoch. Das war nicht verwunderlich nach seinem peinlichen Abgang im Restaurant und dem Stechschritt mit dem er zurück ins Hotel gerast war. Er sollte kurz zur Ruhe kommen, bevor er bei Ruki klopfte. Es gab wahrscheinlich eine einfache und plausible Erklärung und sie würden ihr Treffen einfach umplanen.
 

„Das würde ich mir an deiner Stelle zweimal überlegen.“ Uruha drehte sich erschrocken herum und sah Kai vor sich stehen. „Ruki meinte zu mir, dass er heute nicht mehr gestört werden will.“

Uruha starrte ihn und die beiden Dosen Bier in dessen Hand an.

„Ich bin auf dem Weg zu Reita, um ein paar Rhythmen durchzugehen.“ Kai hob die Hände mit den Dosen leicht an und zuckte mit den Schultern. „Aber Ruki war vorhin ziemlich gereizt und meinte, er will nicht gestört werden.“

„Aber eigentlich wollten wir…“ heute schön romantisch gemeinsam essen gehen und sehen wohin uns der Abend noch bringen würde. „…das auch machen. Rhythmen durchgehen. Melodien und so.“ Und ihre Gefühle. Vielleicht. Aber Rukis Rückzug war scheinbar auch so schon deutlich genug.

„Also ich hab ihn vor Kurzem erst gesehen und da sah er nicht gerade umgänglich aus. Du kennst ihn doch. Lass es lieber. Oder schreib ihm kurz ne Nachricht, ob ers sich anders überlegt hat“, empfahl Kai.

Und um ein Haar hätte Uruha aufgelacht. Ruki hatte es sich bereits anders überlegt. Sie hatten sich zu einem Date verabredet – unmissverständlich! – und Ruki hatte es sich anders überlegt. Keine Nachricht. Keine Entschuldigung oder Erklärung. Nichts. Sein Handy hatte der Gitarrist schließlich alle paar Sekunden gecheckt.

„Okay, mach ich“, meinte er nur zu Kai, bevor er etwas ZU unbeschwert auf sein Zimmer im gleichen Stockwerk zuschlenderte. Wo hatte er eigentlich diese verdammte Schlüsselkarte hingesteckt? Und wieso fühlte er sich von Kai so beobachtet? Er spürte seinen Blick im Nacken.

Die Hitze stieg ihm ins Gesicht. Er wollte doch einfach nur in sein gottverdammtes Zimmer!
 

Endlich erinnerte er sich, dass er seine Schlüsselkarte sicher in seinem Geldbeutel in seiner kleinen Tasche verstaut hatte, steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz und öffnete die Tür. Kurz drehte er sich noch zu Kai um, der ihn – sofern er das auf den kurzen Blick hin beurteilen konnte – ein wenig besorgt ansah, hob die Hand und ging gezwungen ruhig in sein Zimmer, bevor er die Tür ebenfalls gezwungen ruhig hinter sich schloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  QueenLuna
2022-01-17T18:05:14+00:00 17.01.2022 19:05
Ein sehr schönes Kapitel. Ich mochte es, Uruha durch Rukis Augen und die der anderen zu betrachten. Die Beschreibung, wie sich immer alle um ihn schauen, wie die Motten ums Licht war sehr schön und gibt Uruha einfach einen besonderen Status. Und auch wie Uruha Ruki durchschaut, dass jenen das verschüttete Bier verärgert hat. Man freut sich bei den beiden über jedes Zeichen der Annäherung ^^

Und da denkt man grad, es läuft zwischen den beiden und dann haut Uruha das mit dem Verzeihen raus und es geht wieder den Bach runter... Ich muss gestehen, dass ich allerdings die ganze Zeit mehr Sympathien für Uruha hegt, so wie er mit Ruki umgeht, ihn kennt, sich um ihn kümmert... Da wirds echt spannend was Uruha aus Rukis Sicht verbrochen hat, dass Ruki eigentlich der ist der ihm verzeihen müsste.

Denn, nach dem Blick in die Vergangenheit, kann ich durchaus Uruhas Sicht verstehen und warum er Ruki verzeiht. Was würde mich natürlich tierisch interessieren, welche Entschuldigung Ruki für sein Nichterscheinen hat bzw wie er darauf kommt, dass er eigentlich Uruha verzeihen müsste. Es klingt schon wieder arg danach dass die beiden aneinander vorbeireden und eigentlich den Mund nicht auf bekommen... Oh mann... Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht denn ich leide gerade sehr mit den beiden.
Übrigens mochte ich Uruhas aufgeregte Art vor dem Date. Man merkt er ist jünger und wie viel ihm daran lag. Umso mehr tut es mir für ihn leid. Grad ist Ruki für mich der böse *lach*

Viele Grüße
Luna


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