Zum Inhalt der Seite

Waltz for the Firefly

Askefinn Askeladd X Thorfinn
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin offiziell süchtig nach Askefinn und Vinland Saga =_=

Zu dem Oneshot passen total gut "Ed Sheeran - Perfect" und "Elvis Presley - Can't help falling in love with you". Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Waltz for the Firefly

Askeladd und seine Mannschaft waren in der Stadt Jorvik angekommen, dort hatte König Swen einen Stützpunkt errichtet. Es war Prinz Knuts Wunsch dort das weitere vorgehen zu besprechen bevor sie den eigentlichen Hauptstützpunkt ansteuerten, wo auch der König sich befand. Nun konnten auch seine Männer sich nach den Strapazen der Reise erholen erholen.
 

Während seine Männer in der Stadt verteilt Quartier bezogen hatten, waren Thorfinn und Askeladd in der Nähe der Gemächer des Prinzen untergebracht. Thorfinn jedoch wollte die Freundlichkeit des Prinzen nicht annehmen und weigerte sich ein Zimmer neben dem von Askeladd zu beziehen. Stattdessen zog er es vor bei den Pferden im Stall zu nächtigen. Selbst die hatten es nämlich besser als alles worin er in seinem Leben als Krieger bisher geschlafen hatte.


Mittlerweile war eine ganze Woche vergangen in der nichts passiert war. Der Junge mit den strohblonden Haaren langweilte sich zu Tode und fragte sich allen Ernstes, was sie in dieser gottverdammten Stadt taten. Normalerweise betraten sie ein Dorf oder eine Stadt niemals einfach so. Wenn sie es taten, dann um die Menschen darin zu überfallen, alles brauchbare an sich zu reißen, Frauen zu vergewaltigen, Häuser in Brand zu stecken.
 

Schlimmer noch: Solange sie hier ruhten, hätte Thorfinn keine Gelegenheit sich zu bewähren, einen Auftrag oder Ähnliches für den Anführer auszuführen und sich ein Duell zu verdienen. Was für eine Zeitverschwendung. Deshalb war er dem Älteren gefolgt um ihn zur Rede zu stellen. Seit Tagen traf er sich regelmäßig mit dieser Prinzen-Prinzessin um wer weiß was zu besprechen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, was so lange dauern könnte, was den Älteren immer wieder dorthin führte. Was sollte das? Was tat er dort tagein tagaus Stunden über Stunden?
 

Seit einer gefühlten Ewigkeit wartete er nun vor der Audienzhalle, wo die Wachen standen und ihn nicht herein ließen. Sie hatten ihm eigentlich befohlen sich zu entfernen und später wieder zu kommen. Doch er nahm von niemandem Befehle entgegen. Er würde warten bis Askeladd rauskäme, egal wie lange es dauerte. Außerdem schuldete der alte Sack ihm immer noch ein Duell von seinem letzten erfolgreich ausgeführten Auftrag. Etwas abseits der Eingangstür, presste er sein Ohr an die Wand, um zu erfahren, was der Prinz und der Anführer dort nur reden konnten. Dabei konnte er einzelne Satzfetzen entnehmen.
 

„Hör zu, Askeladd. Ich bin dir zu Dank verpflichtet, dass du mich aus Thorkells Gefangenschaft befreit hast. Außerdem hast du dich bisher als sehr loyal erwiesen.“
 

„Das ist das Mindeste, was ich für Euch tun konnte, Eure Majestät.“
 

„Heute Abend stelle ich dir meine Schwester vor. Sie soll wohl extra aus Dänemark angereist sein um mich zu sehen. Das Hofpersonal wollte sie zwar davon abbringen, sie ließ sich jedoch nicht umstimmen. Sie ist ein Jahr jünger als ich und heißt Estrid. Ich gebe sie dir zur Frau. Außerdem möchte ich dich auch mit einigen Ländereien beschenken. Du könntest dich dann mit meiner Schwester auf einem Landsitz zur Ruhe setzen und mein Berater werden.“
 

Geschockt riss Thorfinn die Augen weit auf. Askeladd sollte sich mit der Schwester des Prinzen verloben, die ein Jahr jünger war als der Prinz? Das bedeutete sie wäre auch ein Jahr jünger als er. Askeladd sollte heiraten? Er wusste, dass er dem Prinzen keinen Wunsch abschlagen konnte. Aber heiraten? Sich zur Ruhe setzen? Das würde bedeuten, dass der Anführer sein Leben als Wikinger-Pirat an den Nagel hängen würde, er nie wieder die Gelegenheit hätte sich ein Duell zu verdienen und Askeladd in einem ehrenhaften Kampf zur Strecke zu bringen.
 

Verdammt! Er durfte nicht zulassen, dass dieser Möchtegern-Prinz seine Pläne durchkreuzte. Seit der Ältere damals mitbekommen hatte, dass der Zweitgeborene des Königs von Dänemark in England war, ging es nur noch um ihn. Askeladd war förmlich versessen darauf gewesen ihn aus Thorkells Fängen zu befreien und sich ihm anzuschließen. Thorfinn wusste, dass der blondhaarige Ältere sich nicht ohne Hintergedanken, nicht ohne selbst einen Vorteil zu haben, an die Fersen des schönen Prinzen geheftet hatte oder hatte er sich da tatsächlich in Askeladd geirrt? Panisch und unruhig lief er vor dem Raum auf und ab. Was sollte er nur tun?
 

„Bei aller Dankbarkeit, Hoheit“, hörte er nun wieder Askeladds Stimme, „Ich denke nicht, dass Ihr Eure geliebte Schwester einem so alten Knacker wie mir versprechen solltet.“
 

„Dann tanze heute Abend wenigstens mit ihr. Sie ist ziemlich hübsch. Vielleicht änderst du ja doch deine Meinung.“, versuchte der Jüngere ihn anscheinend abermals umzustimmen. Wenn Thorfinn nichts unternahm und die Unterhaltung weiter seinen Gang ging, riskierte er womöglich, dass der Prinz Askeladd umstimme könnte. Das konnte er nicht zulassen.
 

Ohne einen Plan zu haben, drückte er sich an den Wachen vorbei und platzte in den Raum hinein.
 

„Askelaaaaadd!!!“, brüllte Thorfinn und stampfte aufgebracht in Richtung des erhöhten Podestes, auf dem der Thorn stand und ein weiterer Stuhl für den älteren Wikingerpirat standen. Der Anführer und Prinz Knut sahen ihn verdutzt. Auch die Wachen positionierten sich nun vor Thorfinn und versuchten ihn mit ihren Lanzen aus dem Raum zu drängen bis der Prinz ihnen mit einer Geste befahl sich zu entfernen.
 

Mal wieder hatte Thorfinn keinen Deut nachgedacht. Wortwörtlich mit dem Kopf durch die Wand, ohne einen Plan zu haben. Nun stand er da und wusste nicht, was er sagen sollte. Und da ihm nichts anderes einfiel, nahm er den Vorwand, der absolut immer bei Askeladd zog.
 

„Ich fordere dich zum Duell!“, brüllte er, obwohl sie nur ein paar Meter auseinander waren.
 

„Thorfinn, du siehst, ich bin beschäftigt.“
 

„Jetzt, Askeladd!“
 

„Wir können unser Gespräch auch später weiterführen…“, erklärte der Prinz beschwichtigend. Askeladd und Thorfinn, die beiden waren wirklich zu amüsant. Früher, als er nur an dem Königshof seines Vaters in Dänemark gelebt und noch keine Felderfahrung hatte, waren ihm solche Gepflogenheiten gänzlich unbekannt gewesen. Alle, selbst die jüngsten und rangniedrigsten Soldaten, respektierten seinen Vater und brachten ihm den nötigen Respekt entgegen. Dass jemand in einen Audienzsaal platzte und das Gespräch des Königs unterbrach, hatte er noch nie erlebt. Keiner hätte so eine frevelhafte Tat jemals gewagt.
 

„Nicht nötig, Eure Hoheit.“, lächelte Askeladd ihn entschuldigend an, drehte sich dann zu seinem Zögling und knurrte mit böser Miene, „Thorfinn, ich sagte, wir klären das später!“
 

„Seit Wochen warte ich darauf und ich warte keine Sekunde länger!“
 

Ungläubig starrten auch die Wachen zwischen dem ungehobelten Söldnerburschen und dem jungen, schönen Prinzen hin und her. Würde er denn nichts tun? Würde er sich so etwas allen Ernstes bieten lassen? Wahrscheinlich hätte sein Vater so ein Benehmen nicht durchgehen lassen und den Störenfried einen Kopf kürzer gemacht. Sie konnten nicht glauben, dass er - der Sohn des Königs - so etwas durchgehen ließ. Doch nachdem er von Thorfinn aus Thorkells Gefangenschaft gerettet wurde und Askeladd und seine Männer, besonders diesen Thorfinn, kennen gelernt hatte, wusste er, dass unter den Wikingern andere Gepflogenheiten herrschten. Und, dass es nur dieser Anführer dieser Söldnerbande geschafft hatte, Thorfinn zu bändigen.
 

„Askeladd,“, der junge Mann mit den langen blonden Haaren stand auf und so tat es ihm der Anführer gleich, während Prinz Knut es für das Beste hielt den beiden ihre Angelegenheiten bereinigen zu lassen, „Mir scheint, du solltest das zuerst mit deinem Untergebenen klären. Unser Gespräch kann warten.“
 

„Ich bin untröstlich, mein Prinz.“, der Ältere kniete ehrfürchtig nieder als der Prinz an ihm vorbei ging und den Raum verließ, „Ich werde das schleunigst erledigen und Thorfinn hier Manieren beibringen.“
 

Als sie nun mehr alleine waren, stand Askeladd wieder auf, drehte sich zu seinem Zögling und keifte ihn an: „Wie kannst du es wagen den Prinzen und mich zu stören?!“ Er konnte es immer noch nicht glauben, dass dieser Bengel ihn und den Prinzen wegen eines Duells mitten in ihrem Gespräch unterbrochen hatte. Nicht, dass er ernsthaft vor gehabt hatte auf die Belohnung des Prinzen einzugehen. Dennoch hätte er gerne mehr Zeit gehabt um den jungen Thronfolger in die Gesprächsrichtung zu treiben, in der er ihn gerne gehabt hätte. Stattdessen musste er sich jetzt mit diesem ungeduldigen Balg herumschlagen. Was für eine Zeitverschwendung.
 

Thorfinn währenddessen platzte der Kragen als es schon wieder nur um diesen Schönling ging: „Der Prinz! Der Prinz! Immer nur er!“ Er könnte in die Luft gehen. Dabei konnte der Askeladd froh sein, dass er ihn vor einem Leben in Langeweile, eingesperrt in den eigenen vier Wänden, bewahrt hatte.
 

„Er ist der zukünftige König, Thorfinn.“, schimpfte der Ältere immer noch laut und verärgert, „Auch du solltest dich gut mit ihm stellen.“ Manchmal wünschte sich Askeladd, dass der Junge mehr von seinem eigentlich hellen Köpfchen gebrauch machen würde. Er war nicht dumm, fällte aber oft unüberlegte Entscheidungen. Obwohl er eigentlich Potential in ihm sah, schaffte es Thorfinn immer und immer wieder die Beherrschung über seine Gefühle zu verlieren.
 

„Einen feuchten Dreck werde ich tun. Seit Wochen weichst du ihm nicht mehr von der Seite. Was bist du, sein neuer Sklave, oder was?“, schrie Thorfinn immer noch aufgebracht, während Askeladd sich nunmehr beruhigt hatte. Thorfinn sagte oft Dinge aus einer Laune heraus, klar mit der Absicht ihn zu provozieren. Doch den Gefallen würde er ihm nicht tun.
 

„Denk was du willst.“, antwortete er ruhig und besonnen, „Du bist doch nicht nur hierher gekommen um mir deine Meinung zu sagen. Also - komm auf den Punkt.“
 

„Das Duell, Askeladd, es ist überfällig!“
 

„Und wofür - hilf mir bitte auf die Sprünge - hast du dir dieses Duell verdient?“
 

„Ich“, betonte Thofinn das Pronomen extra, „habe den Prinzen in deinem Auftrag aus Thorkells Gewalt befreit und ihn dir gebracht. Unversehrt, ohne, dass ihm ein Haar gekrümmt wurde. Oder ist das Leben deines ach so tollen zukünftigen Königs plötzlich nichts mehr wert?“
 

„Du hast Recht. Ich gebe dir ein Duell. Aber nicht jetzt. Du wirst dich gedulden müssen.“ Das wäre ja auch noch schöner, wenn sie sich hier in dem Thronsaal duellieren würden. Außerdem müsste der Junge lernen sich zu gedulden.
 

„Zieh dein Schwert!“
 

Doch Askeladd reagierte nicht.
 

Thorfinn lief auf ihn zu und rammte ihn - zu Askeladds Überraschung - mit der vollen Kraft seines Körpers, sodass sie beide zu Boden fielen. Das hatte er nicht erwartet. Normalerweise reichte es den Bengel lang genug zu ignorieren und ihn mit einem „nein“, „nicht jetzt“ die abzuweisen. Meistens gab er von selbst auf. Heute allerdings schien er hartnäckiger zu sein als sonst, ungeduldiger, gereizter. Und da war noch ein Gefühl. Eines, das Askeladd zum ersten Mal bei Thorfinn ausmachte und es wahrscheinlich deshalb noch nicht genau zuordnen konnte.
 

Thorfinn saß auf Askeladds Hüften und rammte sein Schwert dicht neben Askeladds Kopf in den Boden.
 

„Nimm das gefälligst ernst!“, knurrte Thorfinn und wurde mit seiner Stimme immer lauter, „Nimm MICH gefälligst ernst!“ Sein Gesicht wurde von seinen strohblonden Haarsträhnen verdeckt, doch der Ältere sah den verzerrten Ausdruck klar über sich. Seine Augen blitzten vor Verzweiflung. Nicht die Verzweiflung als er Thorfinns Vater ermordet hatte. Eine andere Verzweiflung. Die Verzweiflung eines unerfüllten Wunsches, eines ungestillten Verlangens. Und noch etwas…
 

Askeladd grinste ihn nun wissend an: „Eifersüchtig?“
 

Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sah, wie Thorfinns Augen sich vor Schock weiteten und setzte hinterher: „Weil ich so viel Zeit mit dem Prinzen verbringe?“
 

„Einen Dreck bin ich!“, bellte der Junge auf ihm und Askeladd musste laut loslachen.
 

Er hatte ins Schwarze getroffen.
 

„Und wie du das bist. Steht dir förmlich ins Gesicht geschrieben. Bei den Göttern, das ist zu köstlich!“ Der Ältere konnte sich fast nicht mehr einkriegen. Thorfinn war tatsächlich eifersüchtig. Es machte Sinn, denn bisher war er das einzige so junge Mitglied seiner Bande gewesen. Als solches hatte er einen Einzelstatus unter seinen Männern gehabt und war immer etwas Besonderes gewesen. Doch seit sie den jungen Prinzen, seinen Aufpasser und den Mönch noch im Schlepptau hatten, konnte Thorfinn diesen Status nicht mehr für sich beanspruchen.
 

Auch, wenn Askeladd nun dahinter gekommen war, hatte Thorfinn das anscheinend noch nicht begriffen oder wollte es sich zumindest nicht selbst eingestehen. Es war das erste Mal, dass es jemanden gab, der im gleichen Alter war und um die Aufmerksamkeit des Anführers buhlte. Schlimmer noch, im Gegensatz zu dem verwaisten Jungen, musste der Prinz nicht einmal einen Finger krumm machen, denn ihm flog die Aufmerksamkeit aufgrund seiner königlichen Herkunft wie von selbst zu, ohne, dass er dafür etwas tun musste.
 

Thorfinn hatte in Askeladds Bande einen besonderen Stand. Doch das war nicht immer so. In all den Jahren hatte er sich diese Anerkennung im wahrsten Sinne des Wortes hart erkämpfen müssen. Er hatte hart trainiert und war von einem Kampfanfänger zu einem Profikiller aufgestiegen. Wenn Askeladd Dinge erledigt haben wollte, dann wusste er, dass er der Richtige dafür war. Dafür wurde er jedes Mal nicht nur mit Lob und Anerkennung - auf die er eigentlich pfiff - sondern auch mit einem Duell belohnt.
 

Jetzt musste der Junge der bitteren Tatsache ins Auge sehen, dass ihn diese „Prinzessin“ von seinem Thron gestoßen, ihn von der Eins auf die Zwei katapultiert hatte. Und dass der Anführer sich jetzt viel mehr um den Neuen kümmerte, als um ihn. Dabei war es nicht einmal so, dass Askeladd den jungen Prinzen ihm gegenüber bevorzugen würde. Denn Prinz Knut war, wie Thorfinn auch, nur ein nützliches Mittel um an seine eigentlichen Ziele zu kommen. Dieser ganze Aufruhr nur, weil sich der Bengel etwas einbildete. Nur, weil er Askeladds Aufmerksamkeit wollte.
 

„Klappe, verdammt!“, keifte der Blondhaarige auf ihm. Thorfinn war mittlerweile rot wie eine Tomate, während Askeladd unter ihm aus dem Lachen nicht mehr raus kam. So hatte er sich das ganze nicht vorgestellt. Wie konnte es dieser Mistkerl nur wagen ihm so eine Lüge zu unterstellen und ihn auch noch lächerlich zu machen.
 

„Armer kleiner Thorfinn,“, spottete der Ältere und konnte sich so langsam wieder beruhigen, „du brauchst doch nicht eifersüchtig zu sein.“ Er streckte seine Hand aus und versuchte die Wange des Jüngeren zu berühren, doch Thorfinn sprang instinktiv auf und wich zurück. Er war es so gewohnt Askeladds Fausthiebe zu spüren zu bekommen, dass er nicht anders konnte, auch, wenn dessen Hand gefühlt in Zeitlupe seinem Gesicht näher gekommen war.
 

Askeladd nutzte die Gelegenheit um aufzustehen, während Thorfinn sich beschämt zur Seite drehte um sein hochrotes Gesicht zu verbergen. Verdammt, sein Herz klopfte so schnell, dass er vollkommen außer Atem nach Luft rang. Dieser verdammte alte Sack! Das würde er ihm heimzahlen! Doch jetzt musste er sich erst einmal beruhigen.
 

„Eine Woche.“, knurrte er und rang nach Fassung, „Länger gebe ich dir nicht.“
 

Damit rannte er aus dem Thronsaal und ließ den Anführer zurück, der sich freute eine neue Schwachstelle bei seinem Schützling entdeckt zu haben. Nun galt es zu überlegen, wie er diesen für seine Zwecke ausnutzen konnte.
 

Wie der Prinz bereits angekündigt hatte, fand am Abend in dem gleichen Saal ein Tanzabend zu Ehren seiner eingetroffenen Schwester statt. Der Anführer konnte gar nicht glauben, dass der Raum sich in wenigen Stunden so sehr verändert hatte. An den Seiten standen zwei lange Tafeln mit mehreren Stühle und auf den Tischen war ein absolutes Festmahl vorbereitet worden. Auf silbernen Tabletten wurde gegrilltes Spanferkel dekoriert mit reichlich Gemüsesorten serviert. Auch an Obst und süße Speisen fehlte es nicht.
 

Dänische und dem König treue englische Edelmänner und deren Frauen waren eingeladen, die sich an den Tischen verteilt den Bauch voll schlugen und nach Lust und Laune aßen und tranken. Er selbst speiste natürlich als Ehrengast an der gleichen Tafel, an der oberen Seite des Raumes, wie der Prinz und dessen Schwester. Thorkell, der Hüne, saß neben ihm und verlangte bereits das zehnte Mal, dass man ihm Met nachschenken würde. Während dieser sich eine Wurst reinschlang und laut rülpste, nippte Askeladd sprachlos an seinem Füllhorn und empfand es für klug seinen Nebenmann zu ignorieren frei nach dem Motte: Reden ist silber, Schweigen ist gold. Und so entschloss er sich zu schweigen und sein Redetalent für wichtigere Angelegenheiten zu sparen.
 

Auch Thorfinn war unter den Gästen, allerdings weit abgelegen hinten am Ende des Raumes. Der Prinz hatte auch ihm einen Platz an seiner Tafel reserviert, was dieser aber gewohnt ablehnte. Da er aber weiterhin den Befehl hatte, den jungen Thronfolger zu beschützen, musste er sich wohl oder übel in dessen „Nähe“ aufhalten. Askeladd konnte spüren, wie er Junge ihn mit seinen scharfen Blicken durchbohrte, ließ sich aber nichts anmerken.
 

Nachdem einige Stunden vergangen und sich die Gäste an den Speisen satt gegessen hatten, stand Knut auf und mit ihm alle anderen Männer und Frauen ebenfalls. Der junge Prinz erhob seine Stimme und hielt eine Dankesrede zu Ehren Askeladds, der sich dankend verbeugte, aber in Gegenwart seiner königlichen Hoheit auch bescheiden blieb. Nachdem er einen Tost auf ihn ausgesprochen hatte, stellte er dem Älteren, wie versprochen, seiner jüngere Schwester vor.
 

Das Mädchen sah ihrem Bruder sehr ähnlich, hatte das gleiche hellblonde, seidenglatte, lange Haar und die gleichen blauen Augen. Man könnte meinen, sie wären Zwillinge. Allerdings schien Estrid aufgeweckter und herzlicher zu sein als der Prinz, was vielleicht daran liegen konnte, dass sie im Gegensatz zu ihm nicht die schwere Bürde der Thronfolge tragen musste. Wie die Sonne strahlte sie den Älteren mit ihrem warmen Lächeln an.
 

„Ich danke Euch, dass Ihr meinem Bruder das Leben gerettet habt. Knut hat mir schon sehr viel von Eurer Tapferkeit erzählt.“, verkündete sie begeistert und machte einen höflichen Knicks.
 

„Nicht doch Prinzessin. Ihr müsst Euch nicht vor mir verbeugen.“, erwiderte der Ältere und reichte ihr ebenfalls höflich die Hand, „Ich bin derjenige, der sich vor Eurer königlichen Hoheit verbeugen sollte.“
 

Thorfinn, der zunächst noch in der Menge der anderen Edelmänner und -frauen stand, beobachtete die Szene auf Zehenspitzen gestellt, wie Knut - in der Mitte - die Hände seiner Schwester und Askeladds miteinander vereinte und sein Herz zog sich zusammen. Askeladd sah zufrieden aus, lächelte sogar und sah das Mädchen gütig an. Hatte er es tatsächlich nicht mehr verhindert können? War das bereits der Moment gewesen, der Askeladd für immer an den Prinzen gebunden hatte? Obwohl er die beiden heute Vormittag in ihrem Gespräch unterbrochen hatte? War sein Plan gescheitert? Thorfinn biss sich wütend auf die Lippe, konnte es nicht mehr ertrage geht, schubste Männer und Frauen um sich zur Seite um sich so seinen Weg aus der Menge nach draußen zu bahnen.
 

Dem Älteren war das Ganze natürlich nicht entgangen. Und um ehrlich zu sein, war es für ihn auch die perfekte Gelegenheit um sich selbst zurück zu ziehen. Edle Bankette waren von Zeit zu Zeit ganz amüsant und er genoß tatsächlich gebildete Menschen mit Tischmanieren um sich zu haben, doch nach ein paar Stunden packte auch ihn die Langweile. Außerdem sollte man eine Feier verlassen, wenn es am schönsten war.
 

„Bitte Hoheit, Ihr solltet Eure Schwester zum Tanz führen. Ich bin wahrlich zu alt für so etwas. Einen Applaus bitte für das junge Königspaar.“ Damit schubste er das Geschwisterpaar auf die Tanzfläche und das Publikum sah sie erwartungsvoll an, als Knut dann doch noch schließlich eine Hand um die Hüfte des fast genauso großen Mädchens legte und anfing zu tanzen als der erste Ton der Musiker erklang.
 

Als alle Augen auf den Geschwistern lagen, ergriff der Ältere die Gelegenheit um sich aus der feinen Gesellschaft unbemerkt zurück zu ziehen. Gleich als er aus dem Raum an die frische Nachtluft trat, merkte er, wie sich sein Körper sichtlich entspannte und er erschöpft einen Seufzer ausstieß. Vielleicht war es das Blut seines Vaters, vielleicht war aber auch schon zu lange Wikingerpirat und unter seinen Männern, die ihn eine solche Atmosphäre nur für eine gewisse Zeit ertragen ließ bevor sie letztendlich zu erdrückend wurde.
 

Er dehnte seinen Rücken, der vom langen Sitzen ebenfalls steif geworden war, mehrmals nach hinten und besah sich den Nachthimmel. Es war eine sternenklare, aber kühle Nacht. Draußen war alles still, da sich der ganze Trubel im Inneren des Hauptgebäudes abspielte. Die frische Luft und die Einsamkeit taten gut. Wahrscheinlich empfand das auch das jüngste Mitglied seiner Mannschaft so, das er sich nun aufmachte zu suchen.
 

Suchen war das falsche Wort, denn Askeladd wusste genau wo er hingehen musste. Es war der Ot, den der Junge meistens bevorzugte, wenn sie ein Dorf überfielen: ein Stall. Es war zwar kein Luxus, aber besser als im Freien zu schlafen. Die bisherigen Ställe waren immer sehr zugig gewesen, wohingegen dieser stabil gebaut war, wie ein richtiges Haus, und mit vielen Pferden und einem Berg von Stroh. Tatsächlich war es sogar komfortabler als in allem, wo er bisher sein Nachtlager aufgeschlagen hatte.
 

Der Stall hatte noch einen weiteren Vorteil: bis auf die Pferde war dort niemand. Thorfinn genoß das Alleinsein. Andere Menschen und vor allem Menschenmengen erdrückten ihn, ließen ihm keine Luft zu atmen, sodass er sich hier am wohlsten fühlte. Außerdem war er nicht einsam. Die Pferde waren eine angenehme Gesellschaft, die ihm nicht auf die Nerven gingen. Unter ihnen konnte er sich beruhigen, den Hass, die Verzweiflung, das Gefühlschaos in ihm vergessen und für einen kurzen Moment Frieden finden.
 

Doch heute Nacht blieb dieses Gefühl aus. Stattdessen musste er feststellen, dass er seit dem Vorfall heute Vormittag konstant aufgewühlt war. Er dachte nur noch an Askeladd, wie er auf ihm lag und der Ältere seine Hand nach ihm ausgestreckt hatte. Wie sein Herz gerast hatte und bei dem Gedanken immer noch tat. Er hätte diesem Bastard das Messer direkt in die Kehle rammen sollen.
 

Vorhin war er einfach weggelaufen, weil er es nicht mehr ertragen konnte, wie sich seine Brust zusammenzog. Knut, der die Hand seiner Schwester in die Handfläche Askeladds legte. War es vollbracht? Aber selbst wenn nicht, waren die Pläne wahrscheinlich schon geschmiedet und es wäre nur noch eine Frage der Zeit. Askeladd würde die Prinzessin heiraten und als Berater des Königs bei ihm an seinem Hof bleiben. Er würde ihn verlieren.
 

Und es gab noch etwas, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Askeladd hatte ihn als eifersüchtig bezeichnet und es hatte ihm komplett den Boden unter den Füßen gezogen. Er war nicht eifersüchtig. Oder etwa doch? Er selbst würde das nicht von sich behaupten, doch der Anführer war ein einzigartiger Menschenkenner, also war da vielleicht doch etwas dran, denn seit er seinen Auftrag Knut aus Thorkells Gefangenschaft zu befreien, erfolgreich ausgeführt hatte, drehte sich alles nur noch um den Gleichaltrigen.
 

Askeladd hatte sich verändert. In den zehn Jahren hatten sie im Sommer Dorf um Dorf geplündert, während sie im Winter eine Pause einlegten. Dabei ging es dem Älteren nie um das Geld, um Schätze oder Reichtümer. Bisher hatte er auch alles ziemlich gerecht unter den Männern aufgeteilt. Es hatte nie Streit gegeben. Nie hatte sich jemand ungerecht behandelt gefühlt. Abgesehen von seinen Hassgefühlen, musste er objektiv betrachtet zugeben, dass Askeladd durch und durch eine herausragende Führungspersönlichkeit war.
 

Seit der Prinz aber nun bei ihnen war, hatte sich sein Blick verändert. Er wusste nicht, was es war, doch Askeladd blickte nun häufig in weite Ferne, den Himmel oder den Horizont. Was war es, das er suchte? Nachdem er sich sehnte? Er wusste es nicht. Dieser Askeladd war ihm unbekannt und es machte ihm Angst. Er hatte die leise Vorahnung, dass bald etwas geschehen würde. Etwas, das ihn hindern würde, seine Rache zu vollenden. Und es hatte mit Knut zu tun. Vielleicht hatte Askeladd Recht und er war tatsächlich eifersüchtig.
 

„Verdammt!“, rief er und schlug wütend in einen Holzpfeiler, sodass die Pferde aufgeschreckt zu wiehern anfingen. Gleich darauf tat es ihm Leid, schließlich konnten die Tiere nichts dafür. Er ging zu einem schwarzen Hengst, griff ihn an der Mähne, nahm den Kopf in seine Hände und streichelte ihm mit der Hand beruhigend über das Gesicht.
 

„Was soll ich nur tun?“, fragte er das Tier, legte seinen Kopf nachdenklich auf die Stirn des Pferdes und sah ihm tief in die Augen. Jetzt spielte er zwar den Beschützer des Prinzen, würde diese Aufgabe jedoch nicht dauerhaft übernehmen, soviel war klar. Er hatte sein Leben Askeladd verschrieben und nicht Knut. Sollte er jedoch keine Möglichkeit mehr haben den Anführer in einem ordentlichen Duell zu töten, hätte seine Mission seinen Sinn verloren. Was sollte er dann tun? So unverrichteter Dinge, konnte er nicht nach Island zurück. Er konnte nirgendwohin.
 

In der Stille der Nacht hörte er von Weitem plötzlich Schritte auf den Stall zukommen. Sein Herz fing an schneller zu schlagen, als er realisierte, wer da seinem Schutzort näher kam. Diese Schritte, er würde sie von überall her erkennen. Die Schrittlänge, der Rhythmus, die Stiefel, das Gefühl, das die Füße trugen gehörten einzig und allein der Person, die er jetzt am wenigsten sehen wollte.
 

Die Stalltür quietschte und der Schatten einer Person trat ein. Kurze weißblonde Haare glitzerten im Mondlicht, während eisblaue Augen nach ihm suchten. Askeladd hatte ihn gefunden.
 

„Solltest du nicht bei deiner Verlobten sein?“, knurrte Thorfinn, drehte sich aber nicht zu ihm, sonder streichelte währenddessen weiterhin abweisend den Kopf des Pferdes.
 

Der Ältere lachte leise in sich hinein, trat ebenfalls auf das Pferd zu und verringerte so den Abstand zu dem Jüngeren. Er tat es ihm gleich und streichelte den mächtigen und kräftigen Körper des Tieres, um so eine gewisse, wenn auch geringe, Distanz zu dem Jungen zu wahren um ihn nicht zu verscheuchen. Manchmal war Thorfinn nämlich nicht viel anders als ein wildes, scheues Tier, das leicht zu verschrecken war.
 

„Bist du verrückt? Ich verlobe mich doch nicht mit diesem jungen Ding.“ Als der Blondhaarige diese Worte hörte, riss er überrascht die Augen auf. Er ließ es sich nicht anmerken, doch insgeheim fiel ihm ein Stein vom Herzen. Um seinen erleichterten Blick zu verbergen, drückte er sein Gesicht noch weiter in die Mähne des Hengstes. Askeladd sagte das so selbstverständlich, als hätte er das Angebot des Prinzen nie in Erwägung gezogen. Da waren wohl die Pferde mit ihm durchgegangen.
 

„Das arme Mädchen,“ setzte der Anführer hinterher, „jetzt bist du nicht nur auf den Prinzen, sondern auch noch auf sie eifersüchtig, dabei ist sie wirklich sehr nett.“
 

„Ich bin NICHT eifersüchtig!“
 

„Wieso bist du dann nicht unter den Gästen?“
 

„Da gehöre ich nicht hin.“
 

„Natürlich tust du das. Du bist der Retter des Prinzen. Er ist dir sehr dankbar, auch wenn du seine Dankbarkeit nicht annehmen willst. Er wird deine Abwesenheit bemerken. Damit wirst du ihn noch unnötig verärgern.“
 

„Sieh mich an, Askeladd!“, erhob Thorfinn nun ungehalten seine Stimme, „Sehe ich aus, als würde ich dazu gehören?“ Ihm ging das dauernde Gerede um den Prinzen, seine Schwester, die feinen Leute und den Hof gehörig auf die Nerven. Wieso war er überhaupt hier? Nur um ihn mit seinem neunmalklugen, besserwisserischen Geschwätz voll zu labern? Nur um ihm Dinge vor Augen zu halten, die ihm schon längst bewusst waren?
 

„Du hast Recht“, gab der Ältere zu und musterte den Jungen von oben bis unten. Thorfinn war ein Waisenjunge, der sich in seiner Verzweiflung nicht weiter zu helfen wusste, als ihm und seinen Männern wie ein zielloser Streuner hinterher zu dackeln. Ohne seine Eltern gab es niemanden der seine Erziehung übernommen hatte. Er hätte genauso gut sich einem Rudel Wölfen anschließen können. Es wäre das gleiche dabei heraus gekommen: Ein ungebildetes, unkultiviertes Menschenkind. Teilweise trug er allerdings eine Mitschuld daran. Das wurde ihm nun bewusst.
 

„Du müsstest dir als aller Erstes etwas anderes anziehen. Kleider machen Leute, Thorfinn. Ein paar Manieren wären auch nicht schlecht. Du bist ein Jahr älter als die Prinzessin. Du könntest sie um einen Tanz bitten.“, versuchte er dem Jungen einen Schnellkurs in Etikette und Benehmen zu geben.
 

„Bist du betrunken, oder was? Wie kommst du auf so eine Schnapsidee?“, Thorfinn schien davon nicht gerade angetan zu sein. Im Gegenteil: er war entsetzt. Er und tanzen? Der blondhaarige mit dem Bart hatte wohl ein paar Becher zu viel auf dieser Feier getrunken.
 

„Ich meine das absolut ernst, mein Junge.“
 

„Ich fordere hier niemanden zum Tanz - Höchstens dich zum Duell!“
 

„Ah stimmt. Tanzen kannst du bestimmt auch nicht.“ 

„Hörst du mir überhaupt zu?“ Das tat der Ältere offensichtlich nicht. Während Thorfinn immer weiter angeekelt einen Schritt rückwärts gegangen war, um die Distanz zu vergrößern, machte Askeladd einen Schritt auf ihn zu. 


 

„Lass mich dir ein paar Schritte beibringen.“, sagte Askeladd schließlich.
 

Und noch bevor Thorfinn etwas erwidern oder protestieren konnte, legte Askeladd die linke Hand des Jüngeren auf seine rechte Schulter. Danach packte er Thorfinn unvermittelt an der Hüfte und zog ihn an sich heran, sodass sie nun eng beieinander standen. So nah war ihm der Ältere noch nie gewesen und dem Jüngeren standen bei dieser Nähe die Haare zu Berge. Zuletzt nahm er Thorfinns rechte Hand in seine eigene und hob sie etwas in die Luft. Alles ging so schnell und der Junge war so überrumpelt von Askeladds untypischem Verhalten, dass er sich nicht wehren konnte.
 

„Der Rhythmus ist immer eins, zwei, drei. Die Schrittfolge ist wie ein Dreieck. Siehst du.“, plötzlich verlagerte der Ältere das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und zog ihn mit sich. Dabei hatte er den Jungen so fest an der Hüfte und der Hand im Griff, dass er sich nicht befreien konnte und von Askeladd gefühlt durch die Luft geschwungen wurde. Ungeschickt stolperte er über seine eigene Füße und trat dem Anführer mehrmals auf die Zehenspitzen, weil er zu schnell war.
 

„Spinnst du?!!! Lass mich sofort los!!! Du bist hundert Prozent hackedicht!“ Das ganze war so absurd, dass er nicht wusste, ob er wütend, angewidert oder etwas anderes sein sollte. Er kam sich absolut lächerlich vor, sodass sein Kopf bis an die Ohren hochrot anlief. Seine Wangen glühten und sein Herz raste wie wild, obwohl sie sich nur etwas im Kreis drehten und bisher nur wenige Schritte gemacht hatten.
 

Doch Thorfinn wehrte sich so sehr mit Händen und Füßen, dass Askeladd letztendlich doch stehen blieb, den Jungen aber nicht los ließ.
 

„Wieso? Ein bisschen Kultiviertheit kann auch dir nicht schaden.“, meinte er verwundert über den Protest.
 

„Kulti-was?!“, fragte Thorfinn überfordert, „Verdammt, ich bin ein Krieger!!! Ich brauche so etwas nicht!“ So reagierte er immer, wenn Askeladd eines der hochgestochenen Wörter benutzte, die er nicht kannte und noch nie in seinem Leben gehört hatte.
 

„Sicher?“, stellte er die Gegenfrage und sah dem Jungen mit den zerzausten blonden Haaren und den braunen Augen eindringlich an, „Zwei Menschen, die sich beobachten und ihre Bewegung, ihre Schritte aufeinander abstimmen. Ist nicht auch ein Duell eine Art Tanz?“
 

Thorfinn sah seinen Gegenüber mit großen Augen unglaubwürdig an. Der Anführer konnte ihn doch nicht für so dumm halten, das er ihm das abkaufen würde. Doch dann stimmte der Satz ihn doch nachdenklich. Ehrlich gesagt wusste er nicht, ob Askeladd ihm da einen Bären aufbinden wollte. Denn egal wie man es drehte und wendete, ein Duell war genauso wenig ein Tanz, wie ein in einer Piratenbande großgewordene Junge - also er selbst - als Prinz durchgehen konnte. Außerdem versuchte man beim Tanzen nicht jemanden die Kehle aufzuschlitzen, wobei auch das sicher schon vorgekommen sein mag.
 

„Es würde auch dir im Kampf helfen.“ Da hatte er seine Antwort. Vielleicht hatte der Anführer Recht und er könnte tatsächlich ein paar Bewegungen für zukünftige Attentate nutzen.
 

Nachdem nach einer längeren Pause der Junge keine weiteren Einwände zu haben schien, startete Askeladd einen erneuten Versuch. Diesmal versuchte er seinen Tanzpartner nicht ganz zu überrumpeln und erklärte ihm langsam, wann er das Gewicht auf welchen Fuß verlagern und den Fuß in welche Richtung bewegen musste. Obwohl sie sich fast in Zeitlupe bewegten und sich Thorfinn, was Beinarbeit als Kämpfer für talentierter gehalten hätte, trat er Askeladd immer noch bei jedem zweiten Schritt auf die Zehenspitzen.
 

„Es ist ein langsamer Tanz, du kannst dir also Zeit lassen.“, erklärte der Anführer geduldig ohne ihm seine Ungeschicklichkeit vorzuhalten. Nach ein paar Minuten war Throfinn schon besser geworden und schaffte es dem Älteren zu folgen. Mit klopfendem Herzen ließ er sich nun willig führen und sah einerseits schüchtern andererseits aus Unsicherheit nach unten um sich die Schritte zu merken.
 

„Nicht nach unten sehen. Sobald du die Schritte drauf hast, sieh deine Partnerin an.“, ermahnte ihn sein Lehrer streng, sodass der Angesprochene wie vom Blitz getroffen tat wie ihm geheißen wurde. Das war allerdings ein großer Fehler. Der Ältere war gleichzeitig auch ein ganzes Stück größer als er. Thorfinn reichte ihm nur bis zur Brust, sodass er beim Hochsehen direkt das attraktive Gesicht des Älteren vor ihm hatte, das seinen Atem zum Stocken brachte. Dieser verführerische Bart, der diese teuflisch grinsenden Lippen umspielten. Diese hohen Wangenknochen und diese eisblauen Augen, die ihn an die Gletscher Islands erinnerten. Er konnte nicht anders als darin zu versinken.

 

„Blick ihr tief in die Augen. Direkt in ihre Seele.“, Askeladd brauchte ihm das eigentlich nicht zu sagen, denn das tat er bereits. Es war als hätte der Ältere ihn mit einem Zauber belegt. Er war so hypnotisiert, dass er nicht mehr wegsehen konnte. Dabei merkte er gar nicht, dass sie sich aufgehört hatten zu bewegen und in der Ausgangstanzposition dastanden und sich einfach nur ansahen.
 

Es war Askeladd, der schließlich die Verbindung ihrer Hände trennte, seinen Daumen und Zeigefinger auf Thorfinns Kinn legte, während er ihm weiter tief in die Augen blickte. Und tatsächlich geschah gerade etwas, womit der erfahrene Anführer selbst nicht gerechnet hatte. Denn ein bisher neues und unbekanntes Gefühl schien gerade von ihm Besitz zu ergreifen. Es ging von Thorfinns warmen goldbraunen Augen aus, die ihn sehnsuchtsvoll anblickten und ihn nicht mehr loszulassen schienen. Dabei hatte er doch bis gerade eben die Oberhand in diesem Spiel gehabt.
 

„Immer noch eifersüchtig?“, fragte ihn Askeladd flüsternd und bekam ein kaum wahrnehmbares Kopfschütteln als Antwort. Mit etwas Druck hob er Thorfinns Kinn etwas an, während der Ältere sich gleichzeitig nach unten beugte um dem Jungen noch näher zu sein. Es war kurz bevor Thorfinn in das kühle Blau von Askeladds Augen vollkommen eintauchte, als plötzlich ein leuchtender Punkt an ihm vorbei flog und ihren Blickkontakt unterbrach.
 

Er war so fokussiert, dass er den leuchtenden Punkt fixierend seinen Blick von dem Älteren abwendete, sein Kinn aus dessen Griff löste und gebannt auf den Punkt starrte. Askeladd war zunächst verwirrt, ließ den Jungen aber gewähren, der abwesend Löcher in die Luft starrte. Er dachte zuerst, er hätte vielleicht einen Geist gesehen, bis auch ihm nun der leuchtende Punkt auffiel und er eins und eins zusammen zählte.
 

„Oh, ein Glühwürmchen.“, stellte er fest und gab dem Kind einen Namen.
 

„Ein was?“, fragte Thorfinn ohne seinen Blick von dem Punkt abzuwenden.
 

„Glühwürmchen. Hast du noch nie eins gesehen? Gibt es die in Island nicht?“
 

„Nein. Ist es eine Art Irrlicht? Eine Fee oder eine Elfe?“
 

„Nichts dergleichen, Thorfinn.“, lachte der Ältere amüsiert und sah es als seine Aufgabe an den Jungen aufzuklären, „Es ist ein einfacher Käfer, der leuchtet. Du kannst ihn fangen, schau.“ Demonstrierend umschloss Askeladd um das leuchtende Objekt, hielt seine Hände dann vor Thorfinns Gesicht und öffnete sie einen Spalt damit der Blondhaarige hineinsehen konnte. Dort saß er und Thorfinn konnte nun erkennen, dass es sich tatsächlich um ein Insekt handelte.
 

„Der Wahnsinn!“, mit große Augen und einem aufgeregten Lächeln auf den Lippen, kam Thorfinn aus dem Staunen nicht mehr heraus, während er gebannt das leuchtende Ding beobachtete. Dabei bemerkte er nicht, dass Askeladd ihn mindestens genauso interessiert lächelnd anblickte und dabei dachte: ‚Dummkopf, der Wahnsinn bist ja wohl eher du‘.
 

Plötzlich wurden es immer mehr leuchtende Punkte in dem Stall. Die Glühwürmchen flogen um sie herum und ließen den dunklen Raum erstrahlen. Um sie herum glitzerte es als wären die Sterne vom Nachthimmel herab gestiegen. Thorfinn hatte das Gefühl, dass die Glühwürmchen um sie herum tanzen, wie die Paare auf Knuts Tanzabend. Es war ein absolut magischer Moment, wundersam.
 

Schmunzelnd sah Askeladd Thorfinns verträumten Blick und erkannte zum Ersten Mal, dass der Junge mit den zerzausten strohblonden Haaren innerlich immer noch ein kleines, naives Kind war. Ein Kind, das selbst beim Anblick eines einfachen Käfers nicht mehr aus dem Staunen heraus kam. Seit er sich ihnen angeschlossen hatte, bestand seine Welt nur noch aus Blut, Tod und Verderben. Kleine Wunder wie dieses gab es nur selten. Askeladd wusste, dass es das erste und vielleicht auch einzige Mal war, dass er diese kindliche Seite an Thorfinn, der meistens schlecht und düster dreinblickte, zu Gesicht bekam. Ein so seltener Anblick, wie ein Glühwürmchen in einer lauen Sommernacht.
 

Seufzend wuschelte der Ältere Thorfinn durch die Haare und ließ den verdutzten Jungen mit einem „Du bist wahrlich noch zu jung um in die feine Gesellschaft eingeführt zu werden. Wir verschieben das aufs nächste Mal“ in dem Stall zurück. Glücklicherweise sah Askeladd nicht mehr, wie unter dem Leuchten der Glühwürmchen die leichte Röte seiner Wangen zum Vorschein kam.
 

Eifersucht entsteht, wenn die Erwartung von Zuneigung oder Liebe vermeintlich oder tatsächlich durch den Partner enttäuscht wird, indem er diese Zuneigung oder Liebe jemand anderem als einem selbst zukommen lässt und dadurch z. B. eine starke Verlustangst, eine Kränkung oder Minderwertigkeitsgefühle auslöst.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück